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Halskette und Kalebasse

Halskette und Kalebasse

Titel: Halskette und Kalebasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert van Gulik
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Straßen herum, deshalb dachte der Hauptmann, wir sollten Ihnen lieber eine Eskorte zur Verfügung stellen. Der Hauptmann sähe es nämlich nicht gern, wenn Sie einen Unfall hätten.«
    »Besten Dank. Lassen Sie uns gehen. Ich muß dringend mit dem Hauptmann sprechen.«
    Als sie unter den Säulenvorbau hinaustraten, erblickte er vor den >Neun Wolken< vier Männer in schwarzen Gewändern. Sie unterhielten sich mit dem dickbauchigen Wirt, dem man seine Verdauungsstörungen noch mehr ansah als sonst. Kaum hatten sie den Richter entdeckt, begannen sie die Straße zu überqueren.
    Doch dann kamen Liu und seine Männer aus der Tür marschiert, und sie kehrten schnell wieder um.
    Der Richter und Liu trafen bei Hauptmann Sju ein, als dieser soeben mit Genuß eine große Schüssel Nudeln verzehrte. Er legte seine Eßstäbchen nieder und schickte sich an aufzustehen, aber der Richter sagte rasch:
    »Bleiben Sie, wo Sie sind! Ich bin in großer Eile. Erstens danke ich Ihnen für die rechtzeitige Eskorte. Zweitens möchte ich, daß Sie hier vor Ihrem Büro das gelbe kaiserliche Banner hissen lassen.« Er zog das gelbe Papier aus seinem Ärmel und glättete es auf dem Schreibtisch.
    Mit einem schnellen Blick erfaßte der Hauptmann den Inhalt. In seiner Eile aufzustehen stieß er beinahe den Stuhl um. »Das, mein Herr... ich meine, Exzellenz, ich...«
    »Geben Sie sofort die notwendigen Befehle, Hauptmann. Der unvergleichliche Liu soll mir ein Plätteisen und ein Stück von der besten gelben Seide bringen!«
    Hauptmann Sju und sein Assistent stürzten hinaus. Das Hissen des gelben Banners bedeutete, daß ein hoher Beamter mit persönlichen Befehlen vom Kaiser anwesend war. Es hatte zur Folge, daß dieser Teil der Stadt von Gardisten abgeriegelt würde und die Bewohner die Fensterläden schließen und in ihren Häusern bleiben mußten.
    Der Leutnant kehrte als erster zurück. Richter Di nahm die flache, bis zum Rand mit glühenden Kohlen gefüllte Kupferpfanne an ihrem langen Griff und plättete den Kaiserlichen Erlaß. Als er das Papier in die gelbe Seide gerollt hatte, kam Hauptmann Sju herein und meldete, daß das Banner gehißt und alle vorgeschriebenen Maßnahmen ergriffen seien.
    »Gut. Sie reiten augenblicklich zum Palast, Sju, zeigen die Kaiserlichen Worte Ihrem Oberst und gehen zusammen mit ihm zum Oberaufseher. Sagen Sie allen beiden, daß der Kaiserliche Untersuchungsbeamte ihnen befiehlt, sich unverzüglich und mit geringstmöglichem Gefolge hierher zu begeben, und daß sie unten im Gerichtssaal in Audienz empfangen werden. Den Obereunuchen würde ich auch gerne herbeizitieren, aber die Palastvorschriften verbieten ihm unter allen Umständen, seinen Posten zu verlassen. Sagen Sie ihnen, daß ich äußerste Verschwiegenheit anordne, und sorgen Sie persönlich dafür, daß weder der Oberst noch der Oberaufseher irgendwelche Papiere oder Aufzeichnungen aus ihren Büros vernichten oder vernichten lassen. Fügen Sie noch hinzu, daß der Untersuchungsbeamte sich um die Gesundheit der Dame Hortensie sorgt und hofft, daß die Palastärzte eine völlige Genesung bewirkt haben. Geben Sie mir mein Ausweispapier zurück!«
    Nachdem der Hauptmann die Schublade aufgeschlossen und das Dokument mit einer Verbeugung dem Richter ausgehändigt hatte, fuhr dieser fort: »Was wir tun, sollten wir richtig tun. Sie werden sich vom Oberaufseher die Kappe eines Zensors und die gelbe Stola geben lassen. Auf die Roben verzichte ich. Bringen Sie mir die Kappe und die Stola, bevor Sie meine Besucher in den Gerichtssaal führen. Beeilen Sie sich, wir haben einen arbeitsreichen Morgen vor uns!«
    Hauptmann Sju war dermaßen verwirrt von all diesen unerwarteten Geschehnissen, daß er nicht in der Lage war, auch nur eine von all den Fragen zu stellen, die ihm auf die Zunge kamen. Mit einem gurgelnden Geräusch nahm er ehrerbietig die gelbe Rolle in beide Hände und stürzte hinaus. Zu dem Leutnant, der in steifer Haltung strammstand, sagte Richter Di:
    »Zuallererst möchte ich, daß Sie mir eine Schüssel von diesen leckeren Nudeln bringen, Liu!«
    Nachdem der Richter mit Genuß und ohne Hast am Schreibtisch des Hauptmanns sein Frühstück verzehrt hatte, bat er Liu, ihn zu dem im Erdgeschoß gelegenen Gerichtssaal zu bringen.
    Der Saal war nicht so groß wie eine zivile Gerichtshalle, aber auf dem Podium an der Rückseite stand die übliche, mit einem scharlachroten Tuch bedeckte hohe Richterbank und daneben ein kleines Pult für den

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