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Halsknacker

Halsknacker

Titel: Halsknacker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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Haus und schauen ins Fernsehkastel.«
    »Ah, so. Das klingt … traurig.« Der Polivka räuspert sich leise. »Sie haben also g’sagt, fast niemand war hier hinten beim Herrn Hudak. Was heißt fast?«
    »Na, abgesehen von meiner Wenigkeit war heut nur eine Dame da.«
    »Und was für eine Dame?«
    »Schon mehr von der reiferen, um nicht zu sagen fossilen Art. Schlohweiße Haar’ und ein G’schau wie die bucklige Welt. Sie hat zuerst vorn bei der Budel ein Krügel getrunken. Dann hat sie mich g’fragt, wo hier für Raucher ist, und hat sich da hereinverfügt.«
    »Wie lang?«
    »Ich weiß net. Eine Zigarettenlänge halt.« Der weiße Kittel zuckt die Achseln, dämpft dann seine Zigarette aus. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen …«
    »Momenterl, bitte. Ihr Herr Hudak, was hat der normalerweise g’macht?«
    »Na, was man halt macht im Kaffeehaus. Ein Mokka, ein Spritzer … Zu Mittag hat er fast immer das Einsermenü bestellt.«
    »Ich meine, wenn er nicht bei Ihnen im Kaffeehaus war. Wenn er …«
    »Der Hudak war immer da«, unterbricht der Kellner den Polivka. »Zumindest in den letzten dreißig Jahren.«
    »Und davor?«
    »Davor meistens auch. Nur im Sommer, da ist er am Eislaufplatz g’wesen.«
    Der Polivka atmet tief durch und schließt die Augen. Er denkt an die Krimis im Abendprogramm. Er fragt sich, warum sich die Zeugenbefragung im Fernsehen so simpel gestaltet, viel einfacher als in der Praxis. »Am Eislaufplatz also. Im Sommer.« Ein Nicken: Der Polivka heuchelt Verständnis.
    »Natürlich, gleich drüben im Eislaufverein. Sie wissen schon: Catchen am Heumarkt. Der Hudak ist bis gegen Ende der Siebziger Ringrichter g’wesen.«
    Der nächste Vormittag bringt wenig Neues im Fall Karl Hudak. Die Identität jener schlohweißen Frau bleibt im Dunkel; die Pathologie bestätigt die Todesursache – Genickbruch –, und eine routinegemäße Befragung verschiedener Datenbanken fördert nicht viel Interessantes zutage: Hudak ist in Poysdorf aufgewachsen (wo seine Eltern ein Wirtshaus betrieben) und Mitte der fünfziger Jahre nach Wien übersiedelt. Automechanikerlehre, keine politischen Aktivitäten. Später feste Anstellung in seiner Lehrwerkstatt in Meidling; eine kinderlose Ehe, allerdings ein kurzes Intermezzo, das durch den frühen Tod seiner Frau (Anna Hudak, geborene Jindrak, verstorben 1963 an Tuberkulose) sein Ende fand. Ende der Sechziger Kündigung seines bisherigen Arbeitsverhältnisses und Wechsel in den Schaustellerbereich – so steht es in den Akten. Anfang der Achtziger, das heißt bereits mit vierzig Jahren, Rückzug ins Privatleben. Viele Fährten, keine Spur. Das Melderegister zeigt sich zwar kooperativ – es spuckt Hudaks Adresse aus –, aber weder die Durchsuchung seiner Wohnung im zweiten Bezirk noch die Befragung seiner Nachbarn führen zu verwertbaren Erkenntnissen. Ein ruhiger Mensch soll er gewesen sein, ein angenehmer Nachbar, abgesehen von seiner Qualmerei. Der Polivka seufzt.
    Im Internet schaut sich der Polivka am frühen Nachmittag diverse Filme an. Über den Heumarkt und seine Bedeutung für den europäischen Freistilringersport. Wobei ihm die Bezeichnung Sport schon bald zu hoch gegriffen scheint. Ein Zirkus, ja, durchaus artistisch, aber doch vor allem kurios. Dieser Haufen grotesker Kolosse, die sich brüllend, schnaufend, schwitzend aufeinanderstürzen, diese völlig entmenschten Zwei-Zentner-Primaten, grell und exaltiert in ihren Posen. Dazu dieses grölende, geifernde Publikum. »Reiß eam die Brust auf und scheiß eam ins Herz!«, vernimmt der Polivka aus den Computerboxen. »Prack eam die Augen durchs Hirn, dann kann er mit sein’ Oasch auf d’ Uhr schauen!« Am öftesten ist aber folgender Ausruf zu hören: »Brich eam’s G’nack, Bua! Brich eam’s G’nack!«
    Der Polivka tippt eine Nummer ins Handy. »Sei so gut und schau mir was nach, und zwar alle verfügbaren Adressen von ehemaligen Freistilringern. Du weißt schon: Catchen am Heumarkt … Na, vornehmlich wohnhaft in Wien, aber bitte schön nicht am Zentralfriedhof.«
    »Es war eine herrliche Zeit, aber jetzt ist sie leider vorbei.« Gustav Watzinger lächelt versonnen; er fährt sich mit seinen noch immer gewaltigen Pratzen über die schimmernde Glatze. »Ich selber hab ja schon im Neunundsiebzigerjahr das Handtuch g’worfen. Man soll aufhören, wenn’s am schönsten ist.«
    »Wieso am schönsten? Haben Sie was gewonnen damals? Irgendeinen Titel?« Der Polivka lässt seinen Blick durch das winzige

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