Halten Sie sich für schlau?: Die berüchtigten Testfragen der englischen Elite-Universitäten (German Edition)
weigerten sich einige Soldaten, den unbequemen Stahlhelm zu tragen – mit der fatalistischen Begründung, eine Kugel, die für sie bestimmt sei, würde sie trotzdem treffen. Aus dem gleichen Grund klammern sich heute viele Menschen an die Astrologie: »Es steht in den Sternen« ist gleichbedeutend mit »Das ist Schicksal«. Die meisten Menschen allerdings erachten Fatalismus – das Akzeptieren des für unvermeidlich gehaltenen Schicksals – als persönliche Schwäche. Einige große Figuren der Literatur prägt Fatalismus in Form eines zerstörerischen Zynismus, etwa Puschkins Eugen Onegin, Lermontows Pechorin oder – das Paradebeispiel für einen Zauderer – Shakespeares Hamlet.
Die Philosophie ringt schon lange mit dem Konzept des Schicksals. Die Vorstellung lässt sich logisch nicht so einfach widerlegen, wie es anfangs scheint. Wenn man akzeptiert, dass die Welt nach dem Prinzip von Ursache und Wirkung funktioniert und, wie in den newtonschen Gesetzen der Bewegung beschrieben, jede Aktion eine vorhersagbare Reaktion auslöst, dann ist die Zukunft der Welt mechanisch vorbestimmt, bis hinunter zur Bewegung einzelner Atome. Man könnte den vorherbestimmten Lauf der Dinge also nur ändern, wenn man die Gesetze der Physik selbst änderte. Da wir Menschen Teil dieses deterministischen Universums sind, ist auch unsere Zukunft vorgezeichnet. Demzufolge besteht kein wesentlicher Unterschied zum Konzept des Schicksals, abgesehen davon, dass nun nicht mehr eine göttliche Hand, sondern Gesetze der Mechanik unseren Weg bestimmen und wissenschaftliche Vorhersagen an die Stelle der antiken Orakel treten.
Doch wo bleibt in dieser deterministischen Welt Platz für den freien menschlichen Willen? Wir bilden uns gern ein, dass wir eine freie Entscheidung treffen, wenn wir uns in diesem Moment dazu entschließen weiterzulesen, statt etwas trinken zu gehen, oder den vorgestellten Ideen zuzustimmen, statt sie als Unfug abzutun. Aber fallen wir da nicht vielleicht auf eine Illusion herein? Sind wir ebenso sehr in unserem vorbestimmten Leben gefangen wie Ödipus? Gehen wir nur unbekümmert davon aus, unser eigenes Ziel zu verfolgen, während uns die Gesetze der Physik unweigerlich zu unserem persönlichen Theben führen? Schopenhauer dachte so. Von menschlicher Freiheit zu sprechen, war für ihn gleichbedeutend, als wenn das Wasser sagte: »Ich kann hohe Wellen schlagen […] ich kann reißend hinabeilen […] ich kann schäumend und sprudelnd hinunterstürzen [...] ich kann endlich gar verkochen und verschwinden; tue jedoch von allem nichts, sondern bleibe freiwillig, ruhig und klar im spiegelnden Teiche.« Denn in Wirklichkeit tut das Wasser nur das, was die einwirkenden mechanischen Kräfte bewirken. Wittgenstein drückte es noch einfacher aus und stellte sich ein fallendes Blatt vor, das sich sagte: »Jetzt flieg ich hierhin, dann flieg ich dorthin.«
Dualisten wie Descartes, für die die Welt in die des Körpers und die des Geistes geteilt ist, verheißen uns einen Ausweg aus der Diktatur der Naturgesetze. In ihren Augen arbeitet der Verstand unabhängig vom Körper und nur die Funktionsweise des Körpers unterliegt physikalischen Gesetzen. Wenn der Verstand aber vom Körper losgelöst ist, wie kann er dann überhaupt Mechanismen beeinflussen? Er kann schließlich nur dann vollkommen unabhängig sein, wenn er durch keinerlei Gesetze bestimmt wird. Der griechische Philosoph Epikur fragte sich, ob der Verstand das deterministische Universum verändern könnte, indem er Atome umlenkte. Allein die Spekulation über solch unwahrscheinliche Vorgänge lässt die Vorstellung der Dualisten, der Vorbestimmtheit nicht ausgeliefert zu sein, wenig plausibel erscheinen.
Die meisten Philosophen neigen einem von zwei Lagern zu: dem Kompatibilismus, der einen freien Willen mit der Auffassung, dass Ereignisse durch Naturgesetze vorbestimmt sind, für vereinbar hält, und dem Inkompatibilismus, der Vorbestimmtheit und freien Willen als unvereinbar erachtet. Die Theorie des Inkompatibilismus basiert in etwa auf folgender Argumentation: Die Vergangenheit bestimmt Gegenwart und Zukunft. Die Vergangenheit kann man nicht ändern, und auch die Art und Weise, wie die Vergangenheit die Zukunft determiniert, lässt sich nicht beeinflussen. Also kann man weder die Gegenwart noch die Zukunft steuern. Folglich beruht der freie Wille auf einer Illusion. Einige Philosophen betrachten die Quantenmechanik als Möglichkeit, ein deterministisches Universum zu
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