Halten Sie sich für schlau?: Die berüchtigten Testfragen der englischen Elite-Universitäten (German Edition)
vorbeilaufen.«
In Umfragen zum Thema persönliche Zufriedenheit antwortet die Mehrheit, sie fühle sich »glücklich«– und gesteht dennoch ein, dass etwas fehlt. Offenbar haben wir vor 50 Jahren noch dreimal so oft gelacht wie heute. Wir haben heute seltener Sex und genießen ihn weniger, obwohl die sexuelle Revolution uns von Schuldgefühlen befreit und in den Medien den Einzug einer sexuellen Bildersprache bewirkt hat. In den Ländern der westlichen Welt, in denen materielle Freuden wie gute Speisen, behagliche Wohnungen und interessante Fernreisen leichter denn je zur Verfügung stehen, scheinen die Menschen weniger glücklich zu sein als jemals zuvor. Depressionen sind weitverbreitet und viele Menschen sind psychologisch fehlangepasst.
Es herrscht der nagende Zweifel, dass in der Redewendung »Sie waren arm, aber glücklich« ein Körnchen Wahrheit steckt. Wir spüren tief in uns, dass Glück nicht in den materiellen Freuden zu finden ist, die eine Konsumgesellschaft bietet und die wir mit so viel Energie zu erreichen suchen. Manche glauben sogar, dass diese Form des Strebens nach Glück uns auf einen Holzweg geführt hat. »Amerika«, konstatierte der Schriftsteller John Updike einmal, »ist eine breite Verschwörung, um dich glücklich zu machen.« J. D. Salinger gestand: »Ich bin so etwas wie ein umgekehrter Paranoiker. Ich glaube, die Welt hat sich verschworen, mich glücklich zu machen.«
Es mag tatsächlich stimmen, dass das Glück nicht zu denjenigen kommt, die danach suchen. Schumaker berichtet, dass der kleine Staat Ladakh im westlichen Himalaya noch vor wenigen Jahrzehnten zu den glücklichsten der Welt zählte. »Die Kultur war von gegenseitigem Respekt, Gemeinschaftsgefühl, der Bereitschaft zu teilen, Ehrfurcht gegenüber der Natur, Dankbarkeit und Lebenslust geprägt. Das Wertesystem sorgte für Empathie, Höflichkeit, spirituelles Bewusstsein und den Schutz der Umwelt.« 1980 zog jedoch der Kapitalismus in Ladakh ein und der neue Entwicklungsbeauftragte des Landes verkündete: »Ladakh kann sich nur dann zu einem wirtschaftsstarken Staat entwickeln, wenn es uns gelingt, die Menschen habgieriger zu machen.« Das funktionierte – und heute leiden die Menschen in Ladakh unter einer hohen Kriminalitätsrate, der Auflösung von Familienstrukturen, Depression, Umweltverschmutzung und Armut.
All dies sollte nicht weiter überraschen. Vor über 2500 Jahren schon diskutierten griechische Philosophen darüber, was es bedeutet, glücklich zu sein. Nur die wenigsten hoben Hedonismus und materielle Freuden hervor. Demokrit erklärte heitere Gelassenheit zum höchsten Gut, ansonsten fand die Idee eines rein auf Genuss ausgerichteten Lebens jedoch wenige Anhänger. Epikur wird heute als Befürworter des uneingeschränkten Hedonismus missverstanden, der von ihm geprägte Lustbegriff mit dem Zitat »Lasset uns essen und trinken, denn morgen werden wir sterben!« falsch wiedergegeben. Epikurs Lehre befürwortet nicht, jedem Genuss sofort nachzugehen, sondern das eigene Leben vernunftgesteuert und planvoll so zu gestalten, dass es auf lange Sicht vollkommene Freude garantiert. Ein solches Leben bezeichnete er als glücklich und tugendhaft.
Die meisten griechischen Denker vertraten jedoch die Lehre des Eudämonismus. Der Begriff der Eudämonie ist schwer zu beschreiben, da es dafür keine adäquate deutsche Übersetzung gibt. Er bezeichnet eine Form von Glückseligkeit, die auf einer gelingenden, erfolgreichen Lebensführung basiert. Nach Aristoteles bezeichnet der Begriff ein in jeder Hinsicht vollkommenes Leben, das durch materiellen Wohlstand ebenso wie durch eine glückliche Familie, den Erfolg durch Leistung und Tugendhaftigkeit geprägt ist.
Wenn ich an die Momente im Leben zurückdenke, an die ich mich am liebsten erinnere – die also meine glücklichsten gewesen sein müssten –, tendiere ich dazu, Aristoteles zuzustimmen. Meine größten Glücksmomente erlebte ich nicht allein dann, wenn meine materiellen Bedürfnisse befriedigt wurden, sondern wenn ich mich im Kreis meiner Freunde befand, wenn ich eine kreative Leistung zu Ende gebracht hatte, wenn mich jemand, der mir wichtig war, gelobt hatte, wenn ich jemanden durch eine gute Tat zum Lächeln gebracht hatte, wenn ich im Fußball ein entscheidendes Tor geschossen hatte oder wenn mir beim Anblick der über dem Wasser glitzernden Sonne das Herz aufging. Im Vergleich zu den materiellen Freuden besitzen diese Momente sogar eine tiefere
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