Haltlos
dann auch über Nacht.“
Er strahlte sie an. „Mir wäre nichts lieber!“
Wieder in ihrer Studentenwohnung angekommen, war J noch wach und wollte gleich wissen, ob es ihr denn nach dem Wochenende wieder besser ginge. Lächelnd bestätigte sie das, woraufhin J sie in die Küche zog und unbedingt Einzelheiten wissen wollte.
Victoria versuchte wieder einmal so nah an der Wahrheit zu bleiben, wie es ging und berichtete, dass ein guter Freund von Jaromir überraschend vorbeigekommen sei und die beiden Herren stundenlang über die guten, alten Zeiten geplaudert hätten. Einen Wettkampf habe es gegeben und danach Gespräche zu dritt bis tief in die Nacht.
Victoria brauchte keinen Schlafmangel vorzutäuschen – der war absolut echt und so verabschiedete sie sich schon nach einer Viertelstunde und ging ins Bett.
Die ganze Zeit über war sie mit Jaromirs Geist verbunden. Da die räumliche Distanz erheblich größer war, als am Wochenende, brauchte sie mehr magische Energie, um die Verbindung aufrecht zu erhalten. Aber dank des Zaubers, mit dem sie Astralkraft aus der Umgebung aufnehmen und direkt umwandeln konnte, war das kein Problem.
Als sie sich in ihr Bett kuschelte, wandte sie sich an Jaromir: „Gute Nacht mein Liebster! Ich freue mich schon auf morgen…“
Er lächelte. „Ich wünsche dir süße Träume, Kleines! Ich freue mich auch auf dich!“
Schließlich glitt Victoria sanft ins Reich der Träume.
Als sie am nächsten Tag an der Uni wieder auf ihre Freunde traf, spürte sie sofort, dass diese ihre Veränderung auf den ersten Blick wahrnahmen. Kerstin sah sie lächelnd an und meinte freudig: „Gott sei Dank! Du sieht wieder besser aus.“
Victoria lächelte zurück. „Mir geht es auch wieder besser.“
Sabine drückte sie ganz fest und flüsterte: „Ich hatte schon Angst, dass dir die Typen beim Überfall doch mehr angetan haben, als du uns erzählt hast.“
Victoria schüttelte den Kopf. „Nein, das haben sie wirklich nicht. Ich musste nur erst mal mit allem klar kommen…“
Felix grinste sie an und sagte lässig: „Hey Vici, willkommen zurück.“
Falk sagte ausnahmsweise mal nichts. In seinem Gesicht aber war deutliche Erleichterung zu sehen. Victoria bemerkte, dass ihm sehr wohl bewusst war, dass es noch genau sechs Wochen waren, bevor die ersten Klausuren geschrieben wurden. Falk holte sich kurz vorher immer Tipps bei ihr, was denn dran kommen würde und gerade in Geometrie dachte er trotz der damit verbundenen Arbeit in diesem Semester ernsthaft darüber nach, mal aufs Schummeln zu verzichten.
Sie hörte Jaromir leise in ihrem Geist lachen und konnte sich selbst ein Grinsen nicht verkneifen. Trotzdem fragte sie den Professor streng: „Hey Jaro, du lauscht doch nicht etwa?!“
Der war immer noch amüsiert, als er übertrieben ernst antwortete: „Nein Victoria, so etwas würde ich doch nie tun…“
Victoria machten die Vorlesungen jetzt wieder Spaß. Da sie die ganze Zeit mit Jaromirs Geist verbunden war, konnte sie sich gut konzentrieren. Es war fast wie früher, bevor sie mit ihm zusammengekommen war.
Allerdings fiel ihr das Verstehen noch leichter als sonst. Da sie jetzt nicht mehr mit der Ortung Jaromirs beschäftig war, lenkte sie nichts mehr ab und so hörte sie nun die Professoren denken, auch ohne es zu wollen.
Das fand sie spannend, denn jeder hatte eine ganz eigene Vorgehensweise. Die meisten dachten genau das, was sie an die Tafel schrieben, einige mussten sich stark auf ihr Skript stützen und andere kannten die Beweise auswendig. Manchmal kamen ihnen aber auch noch andere Dinge in den Sinn, wie das Abendessen, mit wem sie noch telefonieren mussten, oder was sie am Nachmittag einkaufen wollten.
Deutlich konnte sie auch Sympathie oder Antipathie des Professors für den jeweiligen Studenten spüren, der sich gerade an der Vorlesung beteiligte. Die Wissenschaftler waren ganz eindeutig Menschen wie jeder andere auch: sie hatten ihre Lieblinge und es gab ebenso Menschen, die sie nicht mochten. Und manchmal hatten sie einfach keine Lust auf den Unterricht – genau wie ihre Studenten.
Die Gedanken ihrer Kommilitonen hörte sie während der Vorlesung wie ein murmelndes Rauschen. Konzentrierte sie sich auf einen einzelnen, dann konnte sie meist gut verstehen, was die Person gerade dachte.
Jaromir hatte eindeutig recht gehabt, als er sagte, dass er niemanden belauschen würde, sondern die Gedanken anderer einfach hörte, ob er das nun wolle oder nicht.
Professor Dieck
Weitere Kostenlose Bücher