Halva, meine Sueße
gewesen wäre, dann hätte er gerne gelacht.
Er ließ den Motor an, und Herr Steinlein klopfte gegen das
Amulett des heiligen Christophorus, das am Armaturenbrett
klebte und angeblich alle Reisenden beschützt.
»Also, los geht's. Wir fahren mal die Strecke ab. Ich kenn
den Prüfer gut. Der fährt immer dieselbe Tour. Nach der
Brücke links, da kann man Gift drauf nehmen.«
Wenn der Prüfer Herrn Steinlein ebenso gut kannte, dann
kam er sicher mit einer Nasenklemme, dachte Kai, atmete
durch den Mund und stellte sich einige elementare Fragen:
Wer war er?
Was tat er auf dieser Erde, insbesondere im Morgengrauen
eines Oktobertages?
Weshalb lag er nicht zusammen mit einem hübschen
Mädchen in seinem Bett oder zumindest mit einem spannenden
Buch?
Musste er seine Fahrprüfung unbedingt am selben Tag wie
seine Einschreibung an der Uni haben?
Und, Himmelherrgott, konnte Herr Steinlein nicht endlich seine Furzerei einstellen? Wie sollte er da noch einen
klaren Gedanken fassen?
Egal, Augen und vor allem Nase zu und durch.
»Augen auf im Straßenverkehr«, sagte der Prüfer, ohne eine
Miene zu verziehen, als er sich auf die Rückbank des Opel
Astras setzte. Der Fahrlehrer knarzte und Kai warf dem Prüfer
einen kurzen besorgten Blick durch den Rückspiegel zu.
Er sah aus, als hätte er zum Frühstück eine Flasche Essig
genossen. Das konnte ja heiter werden.
»Nach der Brücke rechts«, sagte der Prüfer. Herr Steinlein
sah betreten drein und Kai legte den ersten Gang ein. Seine
Hände waren schweißnass. Er gab sachte Gas. Das Leben
war eben voller Überraschungen. Was für ein Tag!
»Machen wir's kurz«, sagte der Prüfer eine Dreiviertelstunde
später zu Kai. »Bestanden. Obwohl Sie den Blinker hätten
setzen müssen, als Sie bei der Uni links rübergezogen sind.
Da waren Sie wohl in Gedanken woanders. Glückwunsch.«
Herr Steinlein strahlte und schüttelte Kais Hand, ehe er
aus seiner Tasche eine kleine Tüte zog. »Pikante Kichererbsen
« stand darauf und Herr Steinlein schob sich ein paar in
den Mund.
Der Prüfer sah auf die würzig duftende Tüte: »Hm, das
sieht ja interessant aus. Wo haben Sie das her?«
»Aus diesem Café, dem
Hafez,
das da in der Karlstraße hin
zum Rathausplatz liegt. Die haben alle möglichen Leckereien.
Immer wenn ich mich belohnen will, gehe ich dorthin.
«
»Ach ja, den Laden kenne ich. Meine Frau kauft dort oft mal was, wenn wir Gäste haben. Ich selber war noch nie dort.
Sind das Türken?«
»Nein, Libanesen, glaube ich. Oder irgend so etwas. Sprechen
aber sehr gut Deutsch.«
Kai warf einen Blick auf seine Uhr. In einer Stunde begann
die Einschreibung an der Uni. Er war richtig froh, dass
er einen Studienplatz für Jura hier in Augsburg ergattert
hatte. Die Uni war ziemlich begehrt.
»Na, dann alles Gute!«, sagte Herr Steinlein. »Oder kann
ich Sie noch irgendwo absetzen?«
»Ich muss noch einmal nach Hause. Wenn es Ihnen nichts
ausmacht …?«, begann Kai. Wenn Steinlein ihn nicht fuhr,
dann schaffte er es nie rechtzeitig nach Westheim und anschließend
zur Universität.
»Kein Problem. Nach all den Fahrstunden, die Ihr Vater
bezahlt hat, ist das auch noch drin.«
Blöder Hund, dachte Kai, stieg aber ein.
Am Haus stand das schmiedeeiserne Tor offen. Hatte er vergessen,
es zu schließen? Das passierte ihm doch sonst nicht.
In der Einfahrt parkte ein Mercedes A-Klasse. Sein Vater
hatte offensichtlich Besuch. Kai sah an der efeuberankten
Fassade des Hauses hoch. Im oberen Stockwerk war trotz der
Kälte ein Fenster geöffnet und Kai hörte leise Klaviermusik.
Wartete sein Vater auf ihn?
Gott sei Dank hab ich bestanden, dachte er, gerade als
die Haustür geöffnet wurde. Sein Vater trat auf die Schwelle.
Uli Blessing trug eine weiche dunkelrote Cordhose und
aus dem Ausschnitt seines beigefarbenen Kaschmirpullovers
lugten ein blauer gestärkter Hemdkragen und eine dezent gemusterte Krawatte hervor. Manchmal fragte sich Kai, ob
sein Vater nicht auch im Swimmingpool am liebsten einen
Schlips tragen würde.
»Und, und, und?«, fragte Uli ungeduldig, als Kai die Stufen
zu ihm hinaufstieg. Kai hatte eine verrückte Lust zu
sagen: So ein Mist, leider bin ich in eine wartende Schlange
von drei Porsches und einem Jaguar gerast, ach ja, ein
oder zwei Ferraris waren auch dabei – Totalschaden. Dann
habe ich noch einen Dackel platt gefahren. Versichert bin ich
nicht, aber das macht doch nichts, oder?
Nein, das macht nichts, würde sein Vater wahrscheinlich
nur sagen. Also ließ er
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