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Halva, meine Sueße

Halva, meine Sueße

Titel: Halva, meine Sueße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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Rüstung«,
hatte seine Mutter beim Zubettgehen immer leise gesagt.
    Er steckte den Ausweis zu den anderen Immatrikulationsunterlagen
in eine Klarsichtfolie, schlüpfte in seinen dunklen
Wollmantel, dessen Ellenbogen abgewetzt waren, und
lief die Treppe hinunter.
    Er zögerte beim Hinausgehen. Auf dem Tisch unter dem
Spiegel stand ein Foto seiner Mutter, auf dem sie ihn als
kleinen Jungen auf dem Schoß hielt. Die Sonne warf helle
Flecken auf sie beide. Seine Mutter strich sich gerade die
langen Haare aus dem Gesicht und lachte Kais Vater an, der
die Kamera gehalten hatte. Die Fotografie war ein paar Jahre
vor dem Unfall aufgenommen worden.
    Kai sah sich um. Er war allein im Haus. Frau Zimmermann
war schon wieder gegangen, nachdem sie das Mittagessen
gekocht hatte. So sah niemand, wie er den Silberrahmen mit
dem Bild aufnahm und seine Lippen kurz auf das nun ewig
junge Gesicht seiner Mutter drückte.
    Bist du wirklich stolz auf mich?, fragte er sie stumm.
    Immer!, lächelten ihre Augen zurück.
    Draußen war es noch einmal kälter geworden und die
Raben hatten wieder auf den kahlen Zweigen Stellung bezogen.
Worauf warteten die Biester nur, wunderte sich Kai
und drückte auf den oberen Knopf seines Autoschlüssels.
Etwa auf ihn? Da konnten sie lange warten. Aber irgendwie
waren sie ihm unheimlich.
    Der Mercedes blinkte ihm zweimal zur Begrüßung zu.
Vielleicht gelang es ihm ja, noch vor der Uni eine Delle ins
Blech zu fahren, dachte Kai. Oder auch nicht. So schlecht
war das kleine Auto schließlich gar nicht.
    »Kannst ja nichts dafür, dass du ein Mercedes bist«, sagte
Kai, stieg ein, schnallte sich an und trat mit klopfendem
Herzen seine erste eigene Autofahrt an. Frei war er, hatte
sein Vater gesagt.
    »Freedom's just another word for nothing left to lose«, fiel
ihm eines der ersten Lieder ein, das er auf dem Saxofon hatte
spielen können.

Die Vorhalle der Uni schwirrte vor Stimmen, und überall
drängten sich die Studienanfänger mit ihren Zulassungspapieren
und auch einige Studenten, die volle Taschen mit
Ordnern oder Büchern mit sich herumschleppten. Gewohnheitsmäßig
suchte Kai die Menge nach bekannten Gesichtern
ab – Augsburg war ein Dorf und viele seiner Mitschüler
aus dem Peutinger Gymnasium hatten zum Studium in der
Stadt bleiben wollen, aber er erkannte niemanden.
    Also, auf in den Kampf, entschied er. Über den Köpfen der
Studenten hingen verschiedene Schilder.
AudiMax,
las er auf
einem,
Philosophikum
auf einem zweiten,
Mensa
auf einem anderen,
und schließlich fand er das, was er suchte:
Sekretariat.
    »Bingo«, murmelte er und presste die Klarsichtfolie mit
seinen Papieren fest an seine Brust, als er versuchte, sich
einen Weg durch die Menge zu bahnen. In diesem Moment
prallte jemand gegen ihn und ein Mädchen fuhr ihn an:
»Autsch. Pass doch auf.«
    »Entschuldigung«, sagte Kai und wurde rot, noch ehe er
ihr ins Gesicht gesehen hatte. Dann aber traf sein Blick ihre
hellgrauen Augen und ihm wurde
richtig
heiß. Oh Mann,
wie konnte man nur so hübsch sein? Das Mädchen schien
nichts von seiner Verwirrung zu bemerken, sondern bückte
sich nach den Papieren, die ihr aus der Hand geglitten waren.
Dabei fielen ihr die langen blonden Haare bis weit über die
Schultern.
    »Kann ich dir helfen?«, stotterte Kai und bückte sich
ebenfalls. Dabei berührte er aus Versehen einen ihrer Finger.
Schnell zog er die Hand zurück, als hätte er sich verbrannt.
    »Geht schon. Viel war es ja nicht.« Unter ihrer Jacke trug
sie eine Bluse, an der die oberen Knöpfe offen standen, und
als sie sich noch einmal bückte, sah er die helle Spitze zarter
Wäsche aus dem Ausschnitt lugen. Darüber war ihre
Haut braun gebrannt, und Kai betrachtete kurz die unzähligen
Sommersprossen, die sich über ihr gesamtes Dekolleté
zogen. Konnte ihm noch heißer werden? Anscheinend ja.
    »Hast du alles?«, fragte er verlegen. »Noch mal Entschuldigung.
«
    Sie standen nun einander gegenüber.
    »Ja, ich glaube schon«, sagte sie und lächelte ihn an, sodass
ihre vollkommenen Zähne blitzten. Kai wurde schwindelig –
so jemanden wie sie hatte er noch nie gesehen. Er steckte
seine zitternden Hände in die Manteltaschen und nickte ihr,
wie er glaubte, gelassen zu.
    »Ich heiße Kai. Erstsemester, vielleicht kann das meine
Tollpatschigkeit etwas entschuldigen.«
    »Vielleicht. Muss aber nicht«, antwortete sie. »Ich heiße
Selina. Ebenfalls Erstsemester. Jura?«
    Kai nickte. »Ja, ich auch. Warst du schon im Sekretariat?«
    »Das

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