Hamburg Horror Noir - Halloween Special
Unfassbare dieses Flüsterns verwahrloster Existenzen. Du bist der Engel, der hängt, im drohenden Leid, abstürzend … bist du … im Blute … abstürzend … im Blute . Unendlich kam es mir vor, nicht wie der Augenblick, der er wohl war, da sich diese letzten Worte im Kreise wiederholten und in meine Gebeine fraßen, bis ich zitternd den Halt verlor und mich auf den Steinboden setzte – dann endlich erkannte ich in der schattenhaften Gestalt meinen Jugendfreund Dennis Roder und mir wurde leichter ums Herz. Endlich hatte auch er vernommen, was hier wütete.
„Mein Freund“, sagte ich gleich keuchend und schaute zu ihm hinauf, „mein Freund, du weißt nun, dass es dieses Flüstern tatsächlich gibt. Es war nicht nur in deiner Frau. Ist es nicht fürchterlich?“
Und darauf antwortete er: „Im Blute durchdringen wir Mauern.“
Aus der Vielzahl dieser Stimmen formte sich nun eine, seine, ebenso zum Flüstern gesenkt. Die wilden Auswüchse seiner überspannten und doch so eindringlichen Wahnvorstellungen, die er bisher nicht offen zugegeben hatte, mussten auch mich beschlichen haben und im Dunkel zu der gar lächerlichen Feststellung geleitet, es handelte sich um einen Chor von Stimmen, die dort in ihren morbiden Rätseln sprach. Doch es war nurmehr Dennis Roder, allein seine Stimme, die gesprochen hatte und auch jetzt artikulierte er eine weitere Phrase, die von ihrer unmittelbaren Unheimlichkeit nichts verlor, obwohl alles so vernünftig erklärbar war. Da ich nun den phantastischen Alp, dem ich aufgesessen war, in seiner Nacktheit entlarvt hatte, musste der Schrecken doch weichen. Aber was, frage ich heute, wär' mir denn lieber: ein durch die Wissenschaft nicht erleuchtbares Phänomen oder der dem Wahnsinn anheim gefallene Jugendfreund?
„Sonne schien einst, die Haut verbrannt“, flüsterte Dennis, „in der Sonne gewandert, vergessenen Schrittes.“ Er war nur kurz vor mir zum Halt gekommen, schritt schwankend an mir vorbei, hinein in unser Schlafgemach, das Flüstern zum Murmeln verkommend, bis es still ward um mich herum. Lange dann blieb ich dort im Dunkeln sitzen, fröstelnd und verstört, doch in meinem rationalen Geiste forschend, was zu tun sei, jetzt, da ich jenes Geheimnis dieser Mauern gelüftet und das Etwas hinter den Nachrichten meines Freundes kennengelernt hatte.
Ich blieb, bis es mich nach einer Decke verlangte und ich durch Nichts zum Sofa zurückkehrte. Im Nichts waren weder Laute noch Licht, ganz so, wie mir war in jener Nacht im alten Warenhaus. Als ich im schwachen Licht des Tages, das alles um mich in grauen Tönen erhellte, erwachte, war Dennis schon fort, gab sich wohl seiner Routine hin, im monotonen Schritte nach gelungenen Formulierungen zu suchen. Mir war sein Flüstern wie ein Traum, doch wusste mein Verstand um seine Echtheit. Nie hatte mein Freund erwähnt, aus welch genauem Grunde er mich hergebeten hatte, doch ich vermochte nun eine Antwort darauf zu geben – es oblag mir, ihm zu helfen bei einer Genesung, die einzig und allein geistiger Natur sein konnte, denn jedes ihn erschöpfende, körperliche Leiden erwuchs aus einem psychischen Zusammenhang. Niemand mag mehr bestreiten, dass unsere Moderne im Griff solcher Erkrankungen war und ist, und Ärzte mit meiner Art der Profession den meisten Patienten mehr imstande sind zu helfen als welche, die nur Körperlichkeit studierten. Mit den wichtigen Fakten nun vertraut blieb mir zu diagnostizieren. Dennis Roder war beileibe nicht einem unabwendbaren Schicksal ausgeliefert – solch Arten der Schizophrenie waren mir ein manches Mal untergekommen und ja, bei Tage betrachtet verlor dieses Haus zunehmend seine Schrecken, wie alles daran verliert, das im Lichte der Rationalität erleuchtet wird. Meine nächsten Schritte überdenkend zog ich mich an und unterwarf mich der dort allmorgendlich rudimentären Toilette, während mein Gemüt das erste Mal ob der Erwartungen an eine Therapie an Leichtigkeit gewann. Ich wollte warten, bis mein Freund zurückkehrte, um sich an seine Arbeit zu setzen, ihn noch nicht und auf keinen Fall bei seinen Routinen stören, die er doch so sehr bedurfte, damit sein Geist nicht vollends zusammenbrach, was seit gestern leider nur allzu möglich schien.
Da ich nur in der letzten Nacht keinen Schlaf gefunden hatte und davor sehrwohl Stunden im Schlummer verweilte, kam ich zu der Überzeugung, Dennis flüsterte ständig des nachts, während er in der Verkaufsfläche umherirrte, womöglich seit er hier
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