Hamburger, Hollywood & Highways
exotischen Pflanzen im Golden Gate Park, konnte ich keinen auf der Wiese am Kezar Drive dazu bewegen mir im Adam- oder Eva-Kostüm eine davon auszubuddeln. Vielleicht lags daran, dass kein 3. Mai war. Oder dass Dope rauchen und körperliche Arbeit nicht zueinander passen? Trotzdem ist The World Naked Gardening Day ganz schön populär geworden. Da wir alles bekommen, was man in Kalifornien erfindet – Frisbeescheiben, Surfbretter und der Brüllomat (ein Gerät, um Schallschutzkabinen zu testen) – müssen wir sicher nicht lange darauf warten, bis diese lustige Tätigkeit auch zwischen Garmisch und Flensburg hochgeschätzt wird.
Mit einem Zug aus der Tüte verabschiedete ich mich von den Hippies, wünschte ihnen ein ehrlich gemeintes Strawberry Fields Forever , und machte mich vom Acker. Wenn ich Hanif sehen wollte, musste ich mich sputen.
Vielleicht passten 100 Leute in den City Light Bookstore, oder, wenn keiner Körperkontakt scheute, 150. Als ich auftauchte, waren 300 schon drin, und weitere 300 wollten noch rein. Von irgendwo drang Hanifs Stimme an mein Ohr, oder jemand, der sich für Hanif ausgab, denn zu sehen war nichts. Das heißt, fast nichts. Neben mir stand eine Frau im sexy roten Lederkleid, und aus ihrem tiefen Ausschnitt lugte ein Hündchen.
„Nettes Plätzchen“, sagte ich, und gebe in der Retrospektive zu, dass es bessere Sprüche gibt. Aber eingekreist von ein paar Hundert aufgebrachter Hanif-Fans, die wie ich viel Geld für das Ticket hingeblättert hatten, um jetzt zu erkennen, dass die Letzten das Leben bestraft, war es das Beste, das ich herausbringen konnte. „Das ist Armistead“, sagte die Schöne, „ich bin Moon.“ So kann man heißen in Amerika. Nicht wie bei uns, Hans-Jürgen oder Babsi. Sondern Mond.
„Und das ist …“, setzte Moon fort, und legte ihren Arm um ein weibliches Geschöpf, dass ebenso anmutig in Leder gekleidet war, aber in grün.
„Womöglich Sun?“, riet ich.
Moon schaute überrascht drein. „Woher weißt du das?“ Just guessing ist ein prima Ausdruck in der amerikanischen Sprache, der auf alles passt, von ich-habewild-geraten bis das-ist-doch-klar.
„Just guessing“ , antwortete ich.
„Komischer Akzent“, sagte Sun, „wo kommst du her?“ Ich stand Rede und Antwort. Black Forest blablabla. Moon und Sun kamen aus dem Eureka Valley, welches unter dem Namen Castro Viertel besser bekannt ist. Schließlich wissen alle, dass dort vor allem Schwule und Lesben leben. Das heißt, einer wusste es nicht, wie ein Sketch aus der Fernsehserie The Simpsons bewies, der im Castro gerne kolportiert wird. Darin freute sich der alte Fidel, dass die Amerikaner doch keine ganz schlechten Menschen seien. „Die haben ein Viertel nach mir benannt“, sagt er. Da flüstert ihm ein Berater zu, dass dort aber nur Schwule wohnen, und Fidel fragt entsetzt: „WAS wohnt da?“
Er hätte nur vorbeikommen müssen. Wer Augen hat zu sehen, muss im Castro nicht raten, wer wen liebt. Zwischen Dutzenden von Gay Cafés, Gay Banken und Gay Läden spazieren gleichgeschlechtliche Paare durch die Gegend, und keiner zeigt mit dem Finger auf sie. Deshalb ist das Castro auch mein Lieblingsviertel. Hier muss man das Wort Toleranz nicht erst umständlich erklären. Moon und Sun fühlten sich ebenfalls wohl, und Armistead ganz sicher auch.
„Nach Armistead Maupin?“, fragte ich.
Jetzt war Moon beeindruckt. „Für einen Deutschen weißt du viel“, sagte sie. Das Vorurteil, welches da mitschwang, ließ ich unkommentiert. Aber die „Tales of the City” von Armistead Maupin hatte ich schon gelesen, bevor sie zwischen zwei Buchdeckeln gepresst wurden. In den frühen Neunzigern druckte die Zeitung San Francisco Chronicle die Geschichten um Michael Tolliver und die Bewohner der Barbary Lane ab. Darin wimmelte es nur so vor Schwulen, Lesben und Transsexuellen. Es war anrührend und lustig, und gelernt hatte ich auch was. Irgendwann kamen die Geschichten als Bücher raus, und siehe da, sie verkauften sich 6 Millionen Mal und wurden in zehn Sprachen übersetzt.
„Weißt du, welche Straße der Barbary Lane als Vorbild diente?“, fragte Moon.
Danke für die Steilvorlage. Wir neunmalklugen Deutschen wissen alles. „Macondray Lane“, antwortete ich. Ich erwähnte nicht, dass sie um die Ecke meiner Absteige lag, eingepfercht zwischen Union und Green Street, und ich erst heute morgen durchmarschiert war.
In der Zwischenzeit war ein Angestellter des Ladens rausgekommen und tat kund, dass es
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