Hamburger, Hollywood & Highways
wenn man in Treue zur einzigen Ehefrau stand. Als ich am vierten Morgen aus der Hoteltür trat, blinkten die Schneefelder der nahen Rocky Mountains so verführerisch zu mir herab, dass ich auf dem Absatz kehrt machte. Ich kündigte Zimmer samt Kingsize -Bett, stieg ins Auto, und hätte keine 10 Minuten später in den zweiten Gang zurückschalten müssen, wäre die Gummiente nicht mit Automatik ausgestattet gewesen. Die Straße wurde steiler und steiler, der Motor röhrte, und ich konnte an nichts anderes denken, als daran, wie es die Siedler geschafft hatten, diese Mauer aus Fels mit ihren Ochsenkarren zu überwinden.
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1 Ein Limerick zu übersetzen ist der Versuch, mit drei Promille auf einer weißen Linie zu balancieren. Und weil schon Walter Moers schrieb, wenn sich's nicht reimen will, „der Dichter, der Dichter, der kriegt eins auf die Lichter“, wird auch mir das wohl bald blühen.
Da gab's einen Kerl in Münde
Der hatte drei Frauen als Pfründe
Man fragte ihn, „warum drei?“
Sagte er, „ist doch besser als zwei,
denn Bigamie, mein Herr, wär’ ‘ne Sünde.“
Vom Barkeeper vollzogene Ehen verlieren zum Morgengrauen automatisch ihre Wirksamkeit
Gönnen wir uns 458 Buchstaben – stellvertretend für die Anzahl Berge, an denen ich vorüberfuhr – um die Rocky Mountains zu beschreiben:
Das Gebirge zieht sich über 5000 Kilometer von Kanada über die Vereinigten Staaten bis nach Mexiko. Einige Geologen sprechen davon, dass auch die Bergketten runter nach Feuerland mit dazu gehören. Wenig Streit gibt's bei der Höhe: Der Mount McKinley bringt es auf 6200 Meter, und 4000er bis 5000er gibt's in stattlicher Zahl. Gar keine Diskussion kommt auf, wenn's um die Schönheit geht. Atemberaubend ist ein Wort, das ich nicht gern benutze, aber hier hat es seine Berechtigung. Durch die Rocky Mountains zu fahren ist wie Kino im Superformat.
Zum Glück war ich allein im Auto, denn meine „Ahs!“ und „Ohs!“ hätten jeden Beifahrer in die Flucht getrieben. Aber ich konnte es nicht lassen. Alle paar Kilometer fuhr ich rechts ran, kletterte aus dem Auto, dann stiegen einige „Ahs!“ und „Ohs!“ in die Luft. In engen Tälern führte die Eisenbahnlinie am Highway entlang, und kam mir einer der gigantischen Güterzüge entgegen, mit vorne fünf Lokomotiven und hinten fünf Lokomotiven und dazwischen 100 Waggons in Doppelbauweise, kannte meine Begeisterung keine Grenzen.
Was ebenfalls keine Grenzen kannte, war das Gefühl der Freiheit. In den Mountain States im Westen der USA, zu denen Montana, Wyoming, Idaho und Colorado zählen, kann man vergessen, dass es da draußen eine andere Welt gibt. Alles ist weit weg, und dazu zählt vor allem Washington. Im Westen hat man die Dinge schon immer selbst in die Hand genommen, und in Wyoming ist man noch heute stolz darauf, der erste Staat in den USA gewesen zu sein, der Frauen die selben Rechte gab wie Männern. Das passierte 1869, für amerikanische Verhältnisse also vor Urzeiten. Wenig später schickte Wyoming die erste weibliche Abgeordnete ins US-Parlament, dann wurde die erste weibliche Friedensrichterin gewählt, und 1925 präsentierte sich mit Nellie Tayloe Ross die erste Gouverneurin eines Bundesstaates. Nur mal zum Vergleich: Im Schweizer Kanton Appenzell-Innerrhoden dürfen Frauen erst seit 1990 zur Wahlurne, und das auch nur, weil das Bundesgericht gegen den Willen der Mehrheit demokratische Basisrechte anmahnte. Man ist im Westen der USA also keineswegs hinterm Mond zu Hause, und äugt misstrauisch hinüber in den Osten, wo die Führungselite, die sogenannten WASPs, White Anglo-Saxon Protestants , ständig seltsame Dinge aushecken.
Eigentlich hatte ich vor, schnurstracks an den Green River zu fahren, doch ein Straßenschild stoppte mich. Es wies nach Süden, und ich dachte, warum nicht? Warum nicht einen 800-Kilometer-Abstecher machen, zu den mysteriösen Steingärten von Bryce Canyon? Ich schraubte die Kaffeekanne auf, schätzte den Inhalt gut für ein paar Stunden Fahrt. Zwei harte Muffins von vorgestern lagen bereit für hungrige Augenblicke. Ich machte einen verbotenen U-Turn, die Gummiente hoppelte folgsam über die Grasnarbe auf die Gegenspur, und an der nächsten Möglichkeit verließ ich den Highway. Von nun an lagen kaum befahrene Hinterlandstraßen vor mir. Heißa, Süden, ich komme.
Erosion, sagen die Wissenschaftler, schufen die tausendköpfigen Steinfiguren des Bryce Canyon, doch gähn, wer will das
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