Hamburger, Hollywood & Highways
Linebacker II“ hatten die Militärs über die Weihnachtszeit elf Tage lang die Städte Haiphong und Hanoi bombardiert. Die Opfer waren ausschließlich Zivilisten gewesen. Kurze Zeit darauf musste Amerika in Paris seine militärische Niederlage besiegeln. Von da an legte sich Vietnam wie ein Trauma über die Gesellschaft. Die Suche nach den Schuldigen begann. Natürlich streuten sich nicht die verantwortlichen Politiker Asche aufs Haupt, sondern fanden rasch die wahren Verantwortlichen an ihrem Desaster: Die Fernsehteams vor Ort und die Friedensaktivisten zu Hause waren Schuld. Die hätten die Moral unterwandert, hieß es in der amerikanischen Version der Dolchstoßlegende. Große Teile der Bevölkerung glauben heute noch daran, so dass sich der Regisseur Francis Ford Coppola kürzlich gezwungen sah, in der neuen Version seines Films „Apocalypse Now Redux“ diese zur Wahrheit gewordenen Lüge aufzugreifen. Ob's was genutzt hat, weiß ich nicht, denn noch immer werden Leute wie Jane Fonda gehasst. In zahlreichen Kasernen finden sich Plakate, darauf die Friedensaktivistin, aufgeknüpft an einem Telefonmast. Darunter steht: That's how we treat a shitfor- brains twat. Das übersetze ich jetzt nicht, weil es keine sanfte Version gibt. Die Dolchstoßlegende gab den Militärs im Irak den gewünschten Vorwand, den embedded journalist zu erfinden, dessen Berichterstattung von den Kriegsschauplätzen im Mittleren Osten so frei ist wie die eines nordkoreanischen Regimegegners.
Als die Fahrertür aufschwang, sah ich ein Paar Cowboystiefel. Ich sah Leder-Chaps, um die Hosenbeine geschlungen, mit denen man bis Memphis reiten konnte, ohne sich den Hintern wund zu scheuern. Tatsächlich, ein Halfter baumelte an der Seite, ob ein Peacemaker drin steckte, konnte ich nicht erkennen. Ich sah ein kariertes Hemd, ich sah eine Weste, ich sah einen breitrandigen Hut. Keine Frage, da kam ein waschechter Cowboy auf mich zu, und ausgerechnet dem wollte ich auf den Zahn fühlen: Jane Fonda – American Traitor Bitch?
Ich gab Donna ein Zeichen, sie schenkte nach. Das ist eines der vielen guten Dinge im Westen. Wer einmal Kaffee ordert, Cola oder einen Softdrink, bekommt nachgeschenkt bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag. Ich wartete, bis der Cowboy bestellt hatte, dann ging ich rüber.
„Hi. I'm Daniel“, sagte ich. „May I ask you something?” Sein Gesicht war so wettergegerbt wie das von Jim Bridger.
Er grinste.
„Howee“, antwortete er. Ob ich mich nicht setzen wollte? Ob ich schon gefrühstückt hätte? Wie immer war die amerikanische Herzlichkeit überwältigend. Und wie immer fragte ich mich: Warum könnt ihr nicht die exportieren? In kaum einem anderen Land der Welt trifft man auf so freundliche Menschen wie in Amerika. Kaum geht der Amerikaner auf Reisen, verliert er seine Nonchalance. Hm. Ob ein Ausreiseverbot die Lösung ist?
„Ich bin Sam“, sagte mein Gegenüber. Und überhaupt, er höre einen leichten Akzent. Germany? Sogar Black Forest! How nice, how wonderful! Es war, als hätte ich einen Kumpel getroffen. Ich hatte keine Ahnung, wie ich die Kurve kriegen sollte, bis Sam von selbst das Thema anschnitt.
Er erzählte mir freimütig, dass heute ein besonderer Tag war. Heute kam sein Sohn Ted aus dem Krieg zurück. Gott sei Dank gesund und mit allen Gliedmaßen. Damit sei nicht zu rechnen gewesen. Von den 36 Männern aus dem Ort, die im Irak dienen, waren fünf gefallen. Drei weitere kamen als Krüppel zurück.
„Warum gehen die jungen Leute zur Army ?“, fragte ich. „Arbeit ist ein rares Gut“, antwortete Sam. „Entweder du bist Farmer oder arbeitest für die Gasleute oder gehst zum Militär.“
Die Gasleute waren Unternehmen, die in den Bergen Methangasquellen ausbeuteten. Viele Jahrzehnte lang erfuhr Wyoming einen Ölboom, und Städte wie Casper erlebten ihren zweiten Goldrausch. Dann wurden Methangas zur großen Sache. Lukrativ war das nur für Wenige.
„Die Sache ist die“, sagte Sam, „dass die Farmer das Land besitzen, aber nicht, was unter dem Land ist. Die Mineralrechte gehören anderen Leuten. Die gehören wildfremden Leuten.“
Damit sind die Probleme vorprogrammiert.
„Auf meiner Farm“, sagte Sam, „spazieren tagaus, tagein die Leute der Gasunternehmen herum. Bauen Straßen, pumpen Methan, verseuchen mir Grund und Boden. Die werden reich, ich kriege die Ranch kaum über die Runden.“
Vor allem im Nordosten von Wyoming ist die Förderung von Methangas eine der wenigen Möglichkeiten, Geld zu
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