Hamburger, Hollywood & Highways
wissen? Viel lieber ist mir die indianische Sage der Paiute, in dem die To-when-an-ung-wa eine wesentliche Rolle spielen. Das waren Wesen, die alle möglichen Gestalten annehmen konnten, darunter auch menschliche. Als sie wieder einmal in voller Kriegsmontur zum Kampf ausrückten, wurde es den Coyoten der Gegend zu bunt. Flugs verwandelten sie die To-when-an-ung-wa in Felsen. Deshalb lautet der Name des Ortes bei den Paiute Angka-ku-wass-a-wits, was soviel wie rot angemalte Gesichter bedeutet. Klingt doch besser als Erosion. Und wäre es nicht schön, ein paar mächtige Coyoten zur Hand zu haben, wenn die Kriegstreiber unserer Zeit mal wieder auf dumme Gedanken kommen? Da hätten wir ganz schnell jede Menge neue Felsengärten zu bestaunen.
Der Weiße Mann fand erst 1850 seinen Weg in den Canyon, und es sollte nochmals 23 Jahre dauern, bis sich eine Gruppe Mormonen ansiedelte. Wie gerne würde ich eine Zeitreise unternehmen, um vor ihnen die abertausende bizarren Felsennadeln zu bewundern. Statt dessen war ich in meiner Epoche verankert, von unzähligen Gaffern umgeben, die sich von mir Gaffer dadurch unterschieden, dass sie nicht aus ihren Autos stiegen, weil man schöne Landschaften auch bei laufendem Motor ansehen kann. An klaren Tagen konnte man von hier den Berg „Mollys Nippel“ erkennen, der seinen Namen von einem verliebten Siedler bekommen hatte. Heute war kein klarer Tag. Es war ein äußerst nebliger Tag. Nur war dieser Nebel kein Nebel sondern Smog, und der käme, sagte mir ein Ranger, von der Küste.
„Die ist aber weit entfernt“, sagte ich.
„800 Meilen“, war die Auskunft. Also rund 1300 Kilometer.
Was man vom Auto aus ebenfalls sehen konnte, war ein Schild, auf dem stand:
The air is precious to the red man, for all things share the same breath – the beast, the tree, the man, they all share the same breath .
Chief Seattle
Häuptling Seattle, oder Ts'ial-la-kum, gehörte zum Stamm der Suquamish Indianer, und war ein weiser Mann: „Die Luft ist kostbar für den Roten Mann, denn wir alle teilen die Luft: Tier, Bäume, Menschen.“
Was nicht auf dem Schild steht, aber man schleunigst hinzufügen sollte, waren die nächsten beiden Sätze seiner Rede:
The white man does not seem to notice the air he breathes. Like a man dying on many days, he is numb to the stench.
„Doch der weiße Mann nimmt davon keine Notiz. Gefühllos und betäubt bemerkt er nichts vom Gestank. Er ist wie ein sterbender Mann.“
Womit man in Amerika immer rechnen kann, ist die Tatsache, gleich hinterm Parkplatz die Freuden der Einsamkeit zu finden. So wars auch hier. Keine Muffinlänge vom Auto entfernt war ich allein auf weiter Flur. Am liebsten hätte ich die Nacht im Canyon verbracht, doch dagegen hatten die Ranger etwas einzuwenden. Zu Recht. Sonst bliebe vom Bryce Canyon gar nichts mehr von der Wildnis übrig, die den Mormonen Ebenezer Bryce 1875 zum Ausspruch verleitete: A hell of a place to loose a cow.
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Wenn ein Ort Buffalo heißt, dann erwarte ich schon was. Wenn er dazu in Wyoming liegt, also im Herzen des Cowboy State – well, look at the people. Tragen sie noch einen Colt Single Action 45 mm im Gürtel, bekannt unter dem zynischen Namen „Peacemaker“? War ich im Land von Winnetou und Old Shatterhand angelangt?
Seit zwei Stunden saß ich in Donna's Outpost, wo man den Kaffee in Riesenbehältern aus Styropor schlürfte. Seit zwei Stunden schaute ich mir die Gäste an, wie sie einen typischen Samstagmorgen in einem Städtchen des Westens verbrachten. Bisher hatte ich keine Cowboys entdecken können. Dann fuhr eine verdreckte Karre vor, halb Auto, halb Lastwagen. Ein Aufkleber prangte auf der Kühlerhaube. Darauf stand: Jane Fonda – American Traitor Bitch .
Moment Mal! Jane Fonda, die Tochter von Hollywoodgigant Henry Fonda? Oscarprämierte Schauspielerin, die in Filmen wie „Klute“ und an der Seite von Jack Nicholson in „China Syndrom“ brillierte? Amercian Traitor Bitch , das will ich mal sanft als „Verräterin an Amerika“ übersetzen. War da was gewesen? Oh ja, da war was gewesen. Jane Fonda hatte während des Vietnamkriegs ihre Stimme für den Frieden erhoben. Sie reiste nach Hanoi, setzte sich auf eine Kanone des Vietkong, ließ sich fotografieren. Das war zuviel für die amerikanische Seele, die nach der internationalen Kritik an der letzten Verzweiflungsoffensive vor Kriegsende sehr empfindlich geworden war. Während dieser sogenannten „Operation
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