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Hamburger, Hollywood & Highways

Titel: Hamburger, Hollywood & Highways Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Oliver Bachmann
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Venus war eine der Verniedlichungsformen, Liberated Woman, Goldilocks, Lady of the Night, Pillow Partner, Shady Lady, Wayward Sister eine Reihe anderer. Der Dollar rollte in den guten alten Tagen, denn Buffalo war der bevorzugte Vergnügungsort einer Reihe berühmter Outlaws wie Butch Cassidy und Sundance Kid. Ihre Hole-in-the-Wall-Gang , bekannt auch unter dem Namen Wilde Horde, machte regelmäßig Halt. Zwei der gefürchtetsten Killer ihrer Zeit, Tom Horn und Big Nose George Parrott, kippten ihren Whisky an der Bar des Occidental Hotels, wo ich jetzt als einsamer Gast Platz nahm. Wann hat man schon eine echte Westernbar ganz für sich alleine? Eine schottische McIntosh obendrein, mit geschwungenem Dach aus mundgeblasenem Glas? Darüber eine reich verzierte Holzdecke, in der 28 Einschusslöcher zu finden waren? Außerdem eine Auswahl von 40 Whiskysorten, zu denen Ruth mich freundlich ermunterte: „Help yourself.“ Danach sollte ich einfach Geld ins Kässchen werfen.
    Ich füllte mir ein Glas und begab mich nach oben in die plüschigen Zimmer der Saloon Girls. Die waren klein, dafür waren die Betten groß. Mein Kennerblick schätzte sie auf Queensize. Sie trohnten auf vergoldeten Pfosten und sahen aus, als würden sie den stärksten Blizzard überstehen. Gewobene Paisleydecken, rot, grün oder blau kariert und jede Menge Kissen sorgten für Wildwestgemütlichkeit. Außerdem verfügte jedes Zimmer über ein Waschbecken, und ein Schild gab Auskunft über die strengen hygienischen Bordellregeln:
    Baths 10 cents. Hot Water 15 cents. Assistance $ 5.00
    Das gefiel mir. Noch besser war Regel Nummer Zwei:
    Boot shine 5 cents. Otherwise no boots in bed.
    Auch Regel Nummer Drei hatte ihre Berechtigung:
    Marriages performed by bartenders are automatically annulled at sunrise 1 .
    Ich wanderte durch die stillen Räume und stellte mir vor, wie Martha Jane Canary Burke unter ihrem Pseudonym Calamity Jane hier den Cowboys zeigte, wo der Bartel den Most holte. Mit einigen der Prärie-Blumen war nicht gut Kirschen essen gewesen, und Calamity Jane gab ein leuchtendes Beispiel. Außer im käuflichen Gewerbe war sie als Scout, Scharfschützin und Ochsentreiberin tätig gewesen. Ein Foto im Salon zeigte sie im Cowboyoutfit, einen Patronengürtel umgeschnallt, das Gewehr zur Hand. Herausfordernd blickte sie in die Kamera. Ich glaube nicht, dass ein Greenhorn ihr das Wasser reichen konnte. Da musste schon jemand vom Kaliber eines Butch Cassidy zur Tür reinspazieren, mit seinem ganzen Charme und Draufgängertum.
    Ob im Occidental in Buffalo, im Gracies in Hudson, in der OK-Bar in Rock Springs, dem Cozy Club in Caspar, dem Ritz Hotel in Thermopolis, oder im Cassie's in Cody: In diesen Zeiten tanzte in Wyomings Bordellen jede Nacht der Bär. In einem Zeitungsartikel der Lead Daily Call aus dem Jahr 1913 war zu lesen: „Es war kurz nach Mitternacht, als Madame DuFran's Tanzhalle von Schüssen aus einem 38 Kaliber Revolver erschüttert wurde. Eines ihrer Mädchen, Jessie Taylor, feuerte in die Menge, die sich um die Bar versammelt hatte …“ Im hinteren Teil des Bordelltrakts entdeckte ich eine kleine Wohnung. Es gab ein Schlafzimmer, ein Schreibzimmer, und ein Badezimmer mit freistehender Wanne auf geschwungenen Füßen. Hier hatte Owen Wister zwischen 1899 und 1902 seinen Roman „The Virginian“ verfasst, der erste Millionenbestseller der Vereinigten Staaten. Geboren in Philadelphia, litt Wister in seiner Jugend unter seinen berühmten Eltern. Mama stammte aus Englands ältester Theaterfamilie, Papa hatte deutsche Wurzeln und war ein berühmter Arzt. Auf Teufel-komm-raus wollte Klein-Owen Komponist werden. Er reiste auf eigene Faust nach Deutschland, um Franz Liszt seine Kompositionen vorzuspielen. Als aus der Musikerkarriere nichts wurde, setzte er sich frustriert in den Westen ab. Er kam nach Buffalo und fand im Bordell des Occidental eine neue Heimat – und schriftstellerischen Erfolg.
    Ich nahm an seinem Schreibtisch Platz und dachte darüber nach, ob ich an ähnlichem Ort etwas zu Papier bringen könnte. Über solche Dinge sollte man auf einsamen Reisen nicht nachdenken. Jedenfalls kam ich zum Schluss, dass man mich wie Jonathan Swift an den Stuhl hätte fesseln müssen. In Gedenken an den schreibfaulen Autor von „Gullivers Reisen“ ging ich hinab an die Bar, um dort auf jedes Schussloch in der Decke einen Whisky zu nehmen.
    So war es durchaus verständlich, dass ich am nächsten Morgen beim Frühstück Kathys Frage nicht

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