Hamburger, Hollywood & Highways
seltsamen Geschäftsverbindungen der Familien von George W. Bush und Osama bin Laden. Dafür wurde der Film in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet, und avancierte zu einem der erfolgreichsten Dokumentarfilme aller Zeiten.
Auf dem Screen sah ich, wie Micah den Kommandeur der Truppe interviewte, Captain Logan aus Baton Rouge, Louisiana. Der sprach darüber, dass jeder seiner Soldaten freiwillig hier wäre. Keiner sei gezwungen worden. In der nächsten Szene fuhren die Soldaten zum Einsatzort, während sie laute Rockmusik hörten. Es folgte die chaotische Festnahme des Verdächtigen. Türen wurden eingetreten, Frauen kreischten, Soldaten brüllten, man sieht Männer gefesselt am Boden liegen. Logan sprach in Micahs Kamera, dass Sahyeeb al-Duri schwere Verbrechen gegen die Coalition Forces begangen hätte, und weil er so eine große Nummer sei, wären jetzt alle glücklich, ihn endlich geschnappt zu haben.
„Another chip at the big rock“, sagte er. Dann fuhren die Soldaten zurück in die Kaserne, während aus den Lautsprechern Lynryd Skynryd dröhnte, „Sweet Home Alabama“. Das Ganze wirkte nicht wie „another chip at the big rock“, sondern wie eine konfuse Aktion von Leuten, die nicht wissen, was sie tun. Genauso kam es auch in Fahrenheit 9/11 rüber.
Micah spulte das Band weiter. „Jetzt sieh dir an, was Fox daraus gemacht hat.“
Es ist kein Geheimnis, dass die konservative Fox Broadcasting Company , Amerikas größter Fernsehsender, beste Beziehung zur Bush-Regierung pflegte.
„Ich weiß nicht, wie sie an das Material kamen“, sagte Micah. „Aber sie haben es für ihre Zwecke benutzt.“ Wieder erschien Logan mit seiner Truppe. Mit heroischer Hollywoodmusik untermalt, behauptete ein Sprecher, tapfere amerikanische Soldaten hätten soeben einen der wichtigsten Terroristen aus dem Verkehr gezogen. Von nun an könnte der Landsmann zuhause wieder gut schlafen. Der Film war umgeschnitten, der konfuse Eindruck verschwunden.
Ich verstand, was Micah meinte. Wer in Amerika die Medien beherrscht, beherrscht das Land. Die Zeiten, als zwei Reporter genügten, Bob Woodward und Carl Bernstein von der Washington Post, um im Alleingang mit der Aufdeckung des Watergate-Skandals eine korrupte Regierung zu stürzen, sind vorbei. Das war wirklich „another chip at the big rock“ gewesen.
Marie-Hélène schlug vor, nach draußen zu gehen. Nahe des Studios flossen die Wasser des Clear Creek dem Powder River zu. Aus den Bergen hörten wir das Geheul von Kojoten, ansonsten war es still. Ich rief mir in Erinnerung, wie meine Amerikareisen vor dem 11. September gewesen waren. Da war es immer darum gegangen, die neuesten Errungenschaften aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten kennen zu lernen, fun zu haben, und mit Leuten darüber zu diskutieren, welche Footballmannschaft dieses Jahr beim Superbowl die Nase vorn hatte.
Dann kam der 11. September, und es passierte, was der Schriftsteller Jonathan Franzen so beschrieb: „Wäre es nur die Angst gewesen, die unser Verhalten diktierte, hätten wir uns fragen müssen: Weshalb ist es passiert, und was können wir tun, damit es nicht noch einmal geschieht. Stattdessen haben wir es uns leicht gemacht und gesagt: Der Muselmann muss weg! Erst nach der Katastrophe von Hurrikan Kathrina erwachten wir. Sie war der Wendepunkt. Danach begriffen alle, was für ein unfähiger Idiot Bush war. Und das unsere Staatsführung ganz in den Händen inkompetenter Leute lag.“
In dieser Nacht sprachen wir noch lange darüber, welchen Weg Amerika in den nächsten Jahren einschlagen würde. Es dämmerte bereits, als wir ins Studio zurückkehrten. Der Nomade in mir war wieder unruhig. Da ich meinen Schönheitsschlaf bereits neben der Klapperschlange verrichtet hatte, verabschiedete ich mich mit einem letzten Becher Kaffees von Micah und Marie-Hélène. Ich wollte weiter Richtung Nordosten, zu einem der heiligsten Plätze der Prärie-Indianer. Die Kiowa nannten den Ort Mateo Tepee, das Tipi des Grizzly-Bären. Die weißen Einwanderer aus Europa tauften ihn „Devils Tower“, Teufelsturm. Das Nichtverstehen anderer Kulturen hat in Amerika eine lange Tradition – und war aus Europa gekommen.
Im Schwarzwald gibt es zahlreiche Ortsnamen, die davon künden, welch rauhe Gegend das einmal gewesen war. „Sieh-dich-für“, „Grausenloch“, „Finsterer Teich“ und „Höllental“ können Geschichten erzählen, und auch der Teufel lauerte hinter jeder Tanne: Davon zeugen Teufelsmühle,
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