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Hamburger, Hollywood & Highways

Titel: Hamburger, Hollywood & Highways Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Oliver Bachmann
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Teufelsgrab, Teufelskamin, Teufelskanzel, Teufelsweg, oder auch der Höllkopf. In Wyoming dagegen verfolgten mich Ortsnamen, in denen ständig der Tod vorkam: Dead Head Creek, Dead Horse Creek, Dead Indian Pass, Dead Man Mountain, Dead Man's Bar, Dead Man's Canyon, Deadman's Cut, Dead Man's Point, Death Canyon Creek, und so ging es fort und fort. Bei Dead Man's Bar am Snake River schürften 1886 vier deutsche Abenteurer nach Gold. Als man kurz darauf drei von ihnen tot auffand, wurde Nummer Vier vor Gericht gestellt. Er stritt gar nicht ab, seine Kameraden getötet zu haben, berief sich aber auf „Selbstverteidigung“ und spazierte als freier Mann aus dem Saal. Nie gefunden wurde auch der Mörder von Dead Man's Gulch, wo man ein Skelett entdeckte, mit vollständig erhaltenen Lederstiefeln an den Füßen. Deshalb war ich froh, endlich einen Ort zu erreichen, der einfach nur Ulm hieß. Naja, Ort – es handelte sich um drei Häuser an der Kreuzung einer ungeteerten Straße mit einer einsamen Eisenbahnstrecke. Früher hatte diese Metropole Alki geheißen. Nicht, weil man hier gerne einen pichelte – es gab nicht mal eine Baiz – sondern weil das Wasser alkalin war. Dann tauchte ein Eisenbahnbauer aus Ulm auf, übernahm die Station, und taufte den Ort von Alki auf Ulm um.
    „In Ulm und um Ulm und um Ulm herum“, übte ich die kommenden Stunden, während meine Augen den Horizont abscannten. Mateo Tepee ist schon aus 50 Kilometern Entfernung zu entdecken, einer der eindrucksvollsten Steinklötze dieser Erde. Seine geologische Geschichte begann vor 60 Millionen Jahren, als flüssige Magma im Untergrund abkühlte, und die Erosion im Anschluss das schuf, was heute in den Himmel ragt. Aber für alle, denen das zu unromantisch ist, hier die Entstehungsgeschichte der Kiowa-Indianer:
    „Es war an einem schönen Sommertag, als acht Geschwister, sieben Mädchen und ein Junge, am Ufer des Belle Fourche Rivers spielten. Aus heiterem Himmel wurde der Junge vom Blitz getroffen. Er fiel auf seine Hände und Füße, zitterte am ganzen Leib … und verwandelte sich in einen riesigen Bären. Seine Schwestern flohen vor dieser Erscheinung, doch der Bär war schnell. Fast hätte er sie erreicht, als sie zum Stumpf eines großen Baumes kamen. Der sprach zu ihnen: Steigt auf mich, und als sie das taten, wuchs er in die Höhe. Der Bär begann, den Baum zu erklimmen, und mit seinen Krallen schuf er die Kratzspuren, die man heute noch sieht. Doch die Mädchen wurden in den Himmel gehoben und verwandelten sich in das Sternbild der Plejaden, die Sieben Schwestern. Der Baum aber versteinerte, und daher nennen wir ihn Mateo Tepee, das Tipi des Grizzly-Bären.“
    Bis 1875 gehörte Mateo Tepee zu den meist verehrten Orte der Indianer. Dann kam Colonel Richard Dogde mit einer Militärexpedition auf der Suche nach Gold in die Black Hills. Für ihn war Mateo Tepee der „Devils Tower“, und der Name setzte sich so schnell durch, wie die ihm folgenden Goldsucher die Indianer vertrieben. 1893 erkletterten William Rogers und Williard Ripley mit Holzleitern, die sie im Jahr zuvor gefertigt hatten, den Berg. Tausende Leute schauten zu, und erfreuten sich an den Erfrischungen, welche die geschäftstüchtigen Ehefrauen der Klettermaxe reichten. Seither ist Devils Tower ein beliebter climber's spot geworden – mittlerweile wagen es über 5000 Bergsteiger pro Jahr, das Heiligtum mit Seil und Haken zu bezwingen. 102 Jahre nach Colonel Dogde gab Steven Spielberg Mateo Tepee einen Teil seiner Aura zurück, als er dort das Finale von „Unheimliche Begegnungen der Dritten Art“ drehte. Wahrscheinlich kam er von allen Weißen dem Mythos des Berges am nächsten.
    Ich hatte Glück. Der Parkplatz unten am Restaurant war nur mäßig gefüllt, der Parkplatz oben am Rangerhaus gänzlich leer. Zehn Minuten später befand ich mich auf dem Wanderweg, der rund um den Felsklotz führte. Über mir ragte der vom Monstergrizzlybär eingefurchte Berg vierhundert Meter in die Höhe, unter mir schlängelte sich der Belle Fourche River durch eine Landschaft, die zu atmen schien. Dann merkte ich, dass die großen Seufzer aus mir selbst kamen. Schon wieder ein Platz, der mich lockte, nie wieder in ein Auto zu steigen, nur weil Sundance rief, der Lincoln Highway rief, der endlose Mittlere Westen rief, die Großen Seen, Chicago, Washington und New York. Doch die Kraft des Nomaden siegte auch jetzt über den Magnetismus eines Ortes, und als ich nach fünf Stunden straffer

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