Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Hamburger, Hollywood & Highways

Titel: Hamburger, Hollywood & Highways Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Oliver Bachmann
Vom Netzwerk:
nach, als ich im Bett lag und in John Steinbecks „Früchte des Zorns“ schmökerte.
    Preisfrage: Können Bücher Menschen beeinflussen?
    Antwort: Keine Ahnung. Aber am anderen Morgen sprang ich ungeduscht ins Auto, und siehe da, die Gummiente rümpfte nicht einmal die Nase.
    Auf der Fahrt durch den Mittleren Westen kriegt das Bild, was man landauf, landab von Amerika hat, Risse. Think Big findet woanders statt, an der Ost- und Westküste, in den Industriestädten um die Großen Seen, aber ganz bestimmt nicht zwischen North Platte und Des Moines.
    „Ich stamme aus Des Moines“, schrieb der Reiseschriftsteller Bill Bryson, „einer muss ja.“
    Danach machte er sich schnell auf die Socken, um mehr von der Welt zu sehen als Wohntrailer, die immer verdächtig nach Dritter Welt aussehen. In diesem riesigen Landstrich verdienen die Leute die Hälfte von dem, was woanders auf dem Gehaltszettel steht, zahlen aber die gleichen Steuern. Deshalb waren Jobverlust, Arbeitslosigkeit, und die Krankenversicherung, die keiner hat, Hauptthemen im Wahlkampf. Irak, Afghanistan und Al Qaeda blieben außen vor. Einen Hummer konnte sich ohnehin keiner leisten, der Uralt-Pickup aus den 70er musste es auch die nächsten zehn Jahre tun, und von China wusste man, dass die Arbeit, die es früher gegeben hatte, mittlerweile am Jang Tse gemacht wird.
    Der alte Treppenwitz, dass der reisende Deutsche in den USA tatsächlich gefragt wird, ob Adolf noch immer an der Macht ist – der passierte mir an der Ostküste, der passierte mir an der Westküste, aber er passierte mir vor allem hier. Überregionale Fernsehsender sind rar, und gegen die lokalen Zeitungen ist die BILD ein intellektuelles Blatt. Vom Internet hat man schon gehört, aber für die meisten Menschen ist der Zugang zu Informationen ebenso schwierig wie für die Einwohner Tibets. Natürlich verstreuen sich hier und da Städtchen und Städte über die Landkarte, und da sieht die Sache etwas anders aus. Aber die Entfernungen sind weit, und mit weit meine ich wirklich weit. So nahm ich es hin, als mich in North Platte – immerhin 22600 Einwohner – beim Muffinkauf der alte Herr hinter der Verkaufstheke als Kraut ausmachte, um sofort damit zu prahlen, wie er damals im Zweiten Weltkrieg deutsche U-Boote versenkt habe.
    „Adolf hats aber erwischt, oder?“, wollte er wissen. Manchmal steigt mir die Hutschnur bei so viel Ignoranz. Manchmal bleibe ich locker. Heute war Locker-Tag.
    „Hat sichs Hirn rausgepustet“, sagte ich. „Viel kam nicht.“
    Meine Antwort war ganz nach seinem Geschmack. Die Belohnung kam in Form eines Extra-Muffins. Nun konnte ich gestärkt meine eigentliche Aufgabe angehen: North Platte war lange Zeit die Heimat von Buffalo Bill gewesen, der dem Abgesang auf den Westen seine persönliche Note aufgedrückt hatte. Das passte mir gut ins Programm. Wenn auch die kommenden Staaten Iowa und Illinois ebenfalls Erinnerungen an den Wilden Westen hervorrufen würden – für mich ging in North Platte die Epoche zu Ende.
    William „Buffalo Bill“ Cody hatte ein Leben geführt, dass für drei gereicht hätte. Er stammte aus Iowa, zog mit fünf nach Kansas, wo sein gegen die Sklaverei eintretender Vater im Streit von einem Sklavenhalter umgebracht wurde. Damit war der 11jährige William auf einmal Familienvorstand und einziger Brotverdiener. Das tat er mit Kurierdiensten, die ihn tief in den unbekannten Westen führten. Dort traf er die Großen seiner Zeit, Jim Bridger, Kit Carson und Wild Bill Hickok, den wahrscheinlich besten Revolverschützen im Westen. Weil man das Wort priming zwar noch nicht kannte, die Wirkung dagegen schon, kann man mit Fug und Recht behaupten, Klein-William wurde von diesen Leuten geprimt. Von nun an wollte er ebenfalls Mountain Man werden, Fährtenleser, oder zumindest Revolverheld. Also trat er, fünfzehnjährig, in den Dienst des berühmten Pony Express. Das war eine als Reiterstaffette organisierte schnelle Post von Ost nach West über die Distanz von 3200 Kilometern. Doch dann brach der Bürgerkrieg aus, und William wurde Fährtenleser für das Siebte Kansas Regiment. Dort diente er dem unglückseligen General Custer, bis er den Job fand, der ihm seinen Namen geben sollte: Büffeljäger für die abertausend hungrigen Mäuler der Eisenbahnbauer. Aus William, einem der besten Jäger der Zeit, wurde Buffalo Bill. Trotzdem wäre sein Leben kaum in anderen Bahnen verlaufen als das vieler abenteuersuchenden jungen Männer, hätte sich nicht der

Weitere Kostenlose Bücher