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Hamburger, Hollywood & Highways

Titel: Hamburger, Hollywood & Highways Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Oliver Bachmann
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den Anstrengungen Chinas, grüner zu werden.
    „Going green“ , sagte Garrett, „wird auch bei uns zum Thema.“
    „Davon merkt man bisher wenig“, antwortete ich. Offenbar hatte mir die Lektüre der New York Times doch etwas auf den Magen geschlagen.
    „Wir sind nicht so weit wie ihr“, sagte Garrett, „doch das wird sich ändern.“
    Garrett tat das Seinige dazu: Ein großes Problem von Windanlagen ist, dass es immer dort schön bläst, wo es besonders ungemütlich zugeht. Auf Bergspitzen, am Meer, im hohen Norden. Wenn dann die Temperaturen in den Keller fallen und Rotorblätter vereisen, muss die Anlage abgeschaltet werden. Abgeschaltete Anlagen liefern keinen Strom, das sieht jeder ein. Außerdem belastet der Neustart die Mechanik der Maschine. Aus diesem Grund entwickelte Garretts Firma Rotoren, die nicht mehr vereisen konnten.
    „Auf dem Mars gibts das schon“, lachte er. „Wird Zeit, dass wir die Technologie auf die Erde bringen.“
    Garrett erwies sich als wahrer Connaisseur von Science Fiction-Literatur. Von den Windmühlen kamen wir zu seinen Lieblingen Stanislaw Lem und Philipp K. Dick.
    „Philipp“, sagte er, „war ein Genie.“
    Darüber ist sich die Literaturwissenschaft zwar uneins, die Fans aber nicht. Auch Hollywood lächelt zufrieden bei Nennung dieses Namens. Einige der erfolgreichsten Filme der letzten Jahre basieren auf Dicks Geschichten: „Minority Report“ mit Tom Cruise, „Die Totale Erinnerung“ mit Arnold Schwarzenegger, „Next“ mit Nicolas Cage, oder „Blade Runner“ mit Harrison Ford. Vorlage für diesen Film war Dicks Kurzgeschichte „Träumen Androiden von elektrischen Schafen?“, und darin sieht die Zukunft der Menschheit gar nicht gut aus. Garrett hatte sich auch an „The Exegesis“ gewagt, ein Werk von über 8000 Seiten, von denen ein paar Tausend nach dem überraschenden Tod des Autors publiziert wurden. Großartige Lektüre, meinte Garrett, aber zum Lesen brauchte man, was Philipp K. Dick den Gerüchten zufolge zum Frühstück, Mittagessen und Abendbrot eingenommen hatte:
    „Amphetamine“, sagte Garrett. „Jede Menge davon.“ Dick war schon während der Beat Generation Ende der 50er Jahre mit Drogen in Berührung gekommen. Damals liebäugelte er mit den amerikanischen Kommunisten, was ihm prompt Ärger mit dem Geheimdienst bescherte. Zeit seines Lebens fühlte er sich von FBI und CIA verfolgt, und das wahrscheinlich nicht zu Unrecht. Kein Wunder, legen sich die Protagonisten seiner Geschichten gerne mit übermächtigen Organisationen an. Anders als üblich gibts bei ihm nur selten ein Happy End. Was Hollywood natürlich nicht dulden konnte. So kams, wie's kommen musste: Ridley Scott wurde gezwungen, dem Klassiker „Blade Runner“ ein schmieriges Zuckerwattenende zu verpassen, was niemand mehr fuchste als den Regisseur selbst. Zehn Jahre später brachte er auf eigene Kosten seine Version des Films in die Kinos.
    Wegen den von Schafen träumenden Androiden hätte ich um ein Haar den Halt an der nächsten Milchkanne verpasst. Die nannte sich New York City, Penn Station. Eilig verabschiedete ich mich von Garrett, gelobte hoch und heilig, Robinsons Mars-Trilogie zu lesen und außerdem fest daran zu glauben, dass Windkraft nicht nur auf dem Mars, sondern auch in Amerika eine Chance bekam. Dann stolperte ich aus dem Zug auf einen düsteren Bahnsteig, fuhr eine Rolltreppe hoch und es ward Licht. Penn Station, der größten Bahnhof Amerikas, hatte mich wieder!
    Hello, Big Apple, I am back!
    Ein paar hunderttausend Menschen drängten sich durch die unterirdischen Hallen und Gänge, doch keiner drehte sich nach mir um. Na so was. Also beschleunigte ich ebenfalls meinen Schritt, denn wer bummelt, kommt hier nicht weit, und stürzte mich in den mörderischen Kampf um ein Taxi.
    „It's over“ , seufzte Paul. „America is over.“
    Darf es wahr sein, dachte ich, jetzt heulen schon die New Yorker in ihre Taschentücher? Die doch zur härtesten Brut im Lande zählen, was das Schicksal auch immer wieder von ihnen verlangt. Doch was Bin Laden nicht gelang, was George W. Bush nicht gelang, dem Schwarzen Montag schien es zu gelingen: New York ging in die Knie. Nie zuvor sang man mir am Ufer des Hudson River so häufig das gleiche Lied vor: Amerika war am Ende.
    Gestern war ich angekommen, ein Tag später krachte die Börse zusammen. Das nenne ich timing .
    Jetzt war es 15 Uhr am Schwarzen Montag, und ich hockte an der Bar im Harry's am Hanover Square, einem bekannten

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