Hanan 2 - Weltenjäger
hatten.
Krieg. Aufgelassene Schiffahrtslinien, zum Militärdienst gepreßte Händler. Daniel – nun Vorgesetzter einer Gruppe unerfahrener Rekruten, trug die steife, blaue Uniform eines Technikers auf einem anständigen Schiff, war wohlgenährt und hatte Geld auf sein Konto zu erwarten. Dieser Zustand hatte sieben Tage gedauert, bis zwei schwere Niederlagen die menschlichen Streitkräfte zum Rückzug und schließlich zur wilden Flucht gezwungen hatten und den Männern unter Kriegsrecht befohlen wurde, ihre Heimathäfen aufzusuchen, und dort die sich ausbreitende Panik unter Kontrolle zu halten.
So spielte das Schicksal mit Daniel. Jedesmal wurden ihm die Hände geleert, sobald er sie voll zu haben glaubte; aber da er eben Daniel war, zuckte er immer nur verwirrt die Achseln, ging in die Knie und begann, die Scherben aufzulesen. Er war ungebildet, hatte aber ein gutes Einfühlungsvermögen, eine Intelligenz, die Informationen einsaugte wie ein Vakuum die Luft, wahllos nahm sie Schutt und Abfall zusammen mit Wertvollem auf, sortierend, analysierend. Er war nie jemand gewesen, hatte nie etwas besessen, aber er wollte nicht zu leben aufhören, bis er sicher war, daß er nichts mehr bekommen konnte. So war Daniel – ein Mann, der immer Hunger gehabt hatte. Chimele würde es M'melakhia nennen.
Und Daniels Wünsche drückte der Fiebertraum seiner halbbewußten Perioden im Käfig aus, in dem die Felder grün waren und der Kanal sauber und voll, und wo die Obstbäume neben einem weißgekalkten Haus blühten. Er ersehnte nicht mehr und nicht weniger als das – abgesehen von der Gesellschaft seiner Artgenossen. Er hatte es nicht verdient, von
Ashanome
in Besitz genommen, vom Stolz eines Lyailleue aufgefressen und an eine kalliranische Frau gebunden zu werden, die nie gelernt hatte, eine Kallia zu sein, die zum großen Teil eine Iduve war.
›Aiela‹
, tadelte ihn ein Gedanke Isandes, betrübt.
›Wie lange bist du schon bei mir?‹
Er errötete vor Zorn, denn er war tief in seine eigenen Gedanken versunken gewesen und Isande war so geschickt, daß er ihre Berührung nicht immer bemerkte. Es war nicht das Sichtbare, was ihn in Verlegenheit brachte: Sie kannte seinen Körper so gut wie ihren eigenen, denn das war ein Teil des Selbstverständnisses. Es war die Privatsphäre seiner Gedanken, die er nicht so bloßgelegt sehen wollte, und er wußte sofort aus der Rückkopplung, daß sie mehr aufgefangen hatte, als er, wie sie wußte, preisgeben wollte.
›Lieber Aiela‹
, hallte ihre stumme Stimme.
›Nein, sperre mich nicht aus. Es tut mir leid wegen des Streits. Ich weiß, daß ich dich kränke.‹
›Mir tut eine ganze Menge leid‹
, sendet er von der äußersten Oberfläche seiner Gedanken.
›Du bist nicht sicher, ob du mit mir fertig wirst‹
, sagte sie.
›Das beunruhigt dich. Du bist daran nicht gewöhnt. Du bist nicht halb so grausam und wild wie ich, ich weiß; aber du bist doppelt so tapfer – manchmal zu sehr, wenn dein schrecklicher Stolz verletzt wird.‹
›Ich habe keinen Stolz mehr‹
, sagte er.
›Seit Kartos nicht mehr.‹
Sie war belustigt, und das schmerzte.
›Nein. Nein. Er ist noch da, aber er ist angeschlagen...‹
Die Belustigung schwand, sie bedauerte, ihn gekränkt zu haben, und doch wußte sie durch seine eigene Reaktion, daß sie recht hatte: sie fühlte sich im Recht und voll Selbstvertrauen.
›Chimele – die Iduve allgemein – haben ihn verletzt. Du beginnst zu erkennen, daß es für immer so ist, und das erschreckt dich sehr.‹
Ihre Worte schmerzten, und ein Gefühl stieg in ihm auf, das völlig
›ikas‹
war.
›Ich habe es nicht nötig, unter deinen Bedingungen zu leben. Ich werde es nicht tun.‹
Sie schwieg eine Zeitlang, prüfte die Lage.
›Du verstehst Ashanome nicht. Heute nacht hast du Chimeles Chanokhia erlebt, und ich fürchte, du hast dich in sie verliebt. Nein – nein, ich weiß: nicht auf diese Art. Es ist schlimmer: Es ist M'melakhia-Liebe. Arastiethe willst du von ihr Hochachtung der Iduve; und die kann kein M'metane je bekommen.‹
›Du kannst wohl nicht einmal mehr wie eine Kallia denken?‹
›Aiela, Aiela, du hast es mit einer Iduve zu tun. Sieh das doch ein. Du reagierst so auf sie, wie sie ist. Du denkst an Giyre, aber Chimele kann dir nicht etwas geben, was sie nicht einmal versteht. Für sie gibt es nur Arastiethe, und die Hochachtung der Iduve verlangt von uns zu viel. Sie kostet zu viel, Aiela.‹
›Sie könnte fähig sein zu verstehen, Isande,
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