Hand aufs Glück: Mittsommerherzen (German Edition)
spürte, wie ihr die Tränen kamen bei diesen warmherzigen Worten ihres alten Freundes. Sie blinzelte heftig. „Danke“, sagte sie leise und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „T
ack så mycket
. Arbeite nicht mehr so lange, hörst du? Morgen ist auch noch ein Tag …“
Sie verließ die Malerwerkstatt und ging um das Haus herum in den Garten. Dort setzte sie sich auf die grob geschnitzte Holzbank, die unter einer großen, knorrigen Eiche stand. Hier dachte sie über Kettils Worte nach.
Tu, was dein Herz dir sagt.
Ihre Gedanken schweiften ab in die Vergangenheit. Sie erinnerte sich, wie sie als Kind zwischen den Ästen des Baumes herumgeklettert war und Sigmund damit fast verrückt gemacht hatte. Und an Lennart Gunnarsson, von dem sie sich hinter dem Gästehaus hatte küssen lassen …
Sie wollte nicht, dass Sigmund das Anwesen mit all seinen Erinnerungen verkaufen musste. Es gab bestimmt einen Weg,
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zu erhalten, und sie würde nicht ruhen, ehe sie ihn gefunden hatte.
Entschlossen ballte sie die Hände zu Fäusten. Auf keinen Fall wollte sie auf das Angebot eingehen, das Jonas ihr im Namen seines Auftraggebers unterbreitet hatte. Nicht, ehe sie nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft hatte.
Hier, an diesem Ort, hatte sie die glücklichste Zeit ihres Lebens verbracht, zusammen mit Sigmund, der ihr Vater und Mutter gewesen war, nachdem ihre richtige Mutter die Familie im Stich gelassen hatte.
Sabrina war damals acht Jahre alt gewesen, und natürlich hatte sie gefragt, warum ihre
Mamma
fortgegangen war, ohne sich von ihr zu verabschieden. Sigmund hatte daraufhin versucht, ihr zu erklären, dass ihre Mutter nicht ihretwegen gegangen war und sie trotzdem liebte.
Eine wohlwollende Lüge, wie Sabrina inzwischen wusste. Hätte Doreen Ahlström-Lindemann tatsächlich etwas für ihre Tochter empfunden, wäre sie nicht einfach von einem Tag auf den anderen aus ihrem Leben verschwunden. Vermutlich war ihr das Leben mit Mann und Kind in einem kleinen mittelschwedischen Ort einfach zu eng geworden. Außerdem hatte sich Sabrina damals in einer schwierigen Phase befunden, war trotzig und aufmüpfig gewesen. Aber war das ein Grund, sein einziges Kind zu verlassen?
Als Sabrina ein Dreivierteljahr später vom Tod ihrer Mutter erfuhr, hatte sie nicht einmal richtig traurig sein können …
Seufzend schob sie den Gedanken an ihre Vergangenheit beiseite und blickte zum Himmel. Ein schwarzer Baldachin aus Samt, in dem Millionen winziger Diamanten funkelten. Der fast volle Mond tauchte die Welt in seinen silbrigen Schein, und der würzige Duft von frisch geschlagenem Holz erfüllte die Luft. Es war eine Nacht voller Romantik, und im Grunde ihres Herzens war Sabrina, allen schlechten Erfahrungen zum Trotz, stets eine Romantikerin gewesen.
Doch im Augenblick konnte sie die Schönheit ihrer Umgebung einfach nicht genießen – und Schuld daran trug allein Jonas.
Aber das stimmte ja auch nicht. Er war jedenfalls nicht verantwortlich für die Misere, in der sich
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befand. Doch dass er im Namen seines Auftraggebers versuchte, Profit aus Sigmunds Unglück zu schlagen, fand Sabrina einfach unmöglich. Warum also konnte sie trotzdem nicht aufhören, ständig an ihn zu denken?
„G
od afton
, Sabrina.“
Sie schrak zusammen, als sie Jonas’ Stimme hinter sich vernahm. Wie hatte sie nur vergessen können, dass er zurzeit im Gästehaus wohnte?
„Was wollen Sie?“, fragte sie kühl.
„Nun, ich habe Sie von meinem Fenster aus gesehen und mir gedacht, ich könnte vielleicht noch einmal in Ruhe mit Ihnen sprechen.“
„Wenn es um den Verkauf von
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geht, können Sie es ebenso gut sein lassen.“
„Sie sind verärgert“, stellte Jonas fest und setzte sich unaufgefordert neben sie. „Hören Sie, Sabrina: Ich mache hier nur meinen Job. Ihnen muss doch klar sein, dass es kaum eine andere Möglichkeit für Ihren Adoptivvater gibt, als einem Verkauf von
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zuzustimmen.“
Sabrina musste sich förmlich zwingen, ihm zuzuhören. Sie war sich seiner Nähe mehr als deutlich bewusst. Unwillkürlich beschleunigte sich ihr Puls, und trotz des kühlen Winds, der von den Bergen her blies, war ihr mit einem Mal so warm, dass sie am liebsten ihre Jacke abgelegt hätte.
Das alles machte sie nur noch ärgerlicher.
„Ein schöner Job“, entgegnete sie ungnädig. „Ich an Ihrer Stelle würde mich schämen, die Zwangslage eines kranken
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