Hand in Hand in Virgin River
lesen, bevor ich schlafe. Ich stelle die Alarmanlage an. Und ich habe echt keine Lust, dich mitten in der Nacht suchen zu müssen, Courtney. Wir sehen uns morgen. Wenn du Glück hast, hast du morgen keinen Kater.“
Sie sagte hinter seinem Rücken. „Ich haue schon nicht ab.“
Er schaute sie über die Schulter an. „Gut“, erwiderte er. Dann zog er sich in sein Schlafzimmer zurück.
Manchmal wusste Lief nicht, ob Courtney ihn eher nervte oder verletzte. Er gab ihr alles, was er hatte. Weshalb konnte sie ihm denn nicht ab und zu mal einen Knochen hinwerfen? Nur einmal eine kleine Geste, wie Bitte oder Danke oder dass sie die Hausaufgaben erledigte. Die Hausaufgaben müssten nicht mal gut sein, obwohl er wusste, dass sie extrem intelligent war. Einfach nur gemacht.
Wie lange konnte sie ihren inneren Schmerz, weshalb sie sich so abscheulich verhielt, noch nähren?
Im Haus war es wieder ruhig. Lief legte sich, mit einem Buch auf dem Schoß, in sein einsames Kingsize-Bett. Das Bild der vierzehnjährigen Courtney, die eigentlich eher aussah wie zwölf, und die ihn spöttisch über ihr Bier hinweg angeblickt hatte, schob sich immer wieder vor die Buchstaben. Er musste sich mit diesem Therapeuten absprechen und herausfinden, ob ihnen noch zu helfen war. Er war nicht besonders optimistisch gestimmt – wenn ihm in L.A. keine gute Therapiemöglichkeit geboten worden war, wie groß war dann die Chance, so etwas ausgerechnet hier zu finden?
Am nächsten Morgen ging er gleich als Erstes nach unten zu Courtneys Zimmer, da er sich vergewissern wollte, dass sie noch da war. Glücklicherweise musste er gar nicht so weit gehen, weil er die Dusche in ihrem Badezimmer hörte. Als er durch das Wohnzimmer schritt, fiel ihm auf, dass die DVDs weggeräumt worden waren. Weggeräumt oder in den Rucksack dieses kleinen Möchtegern-Verbrechers gesteckt. Er schaltete die Alarmanlage aus, kochte Kaffee und duschte. Heute sollte sie ausnahmsweise einmal pünktlich zur Schule kommen; es dauerte nicht lange, bis sie ihre Haare, die in den verschiedensten Farben leuchteten, in Unordnung gebracht hatte.
Nachdem er in die Küche zurückgekehrt war, fand er ihre Hausaufgaben und einen Zettel auf dem Tisch.
Ich habe dir eine Kopie von meinen Hausaufgaben gemacht, damit du sie noch mal durchsehen kannst, aber da ich heute mit dem Bus fahre, bin ich schon weg. Holst du mich nach der Schule ab? Bitte .
Knochen .
Die allerersten Sonnenstrahlen, die durchs Fenster fielen, weckten Kelly aus ihrem tiefen Schlaf. Sie richtete sich im Bett auf und schaute sich um – Jillians Gästezimmer. Und da lag neben ihr im Bett, mit dem Gesicht nach unten schlafend, Jillian.
„Hallo“, sagte Kelly und gab ihr einen Schubs.
Jill wandte ihren Kopf herum und blinzelte sie durch ihr verzotteltes Haar an. „Oh. Du bist wach.“
„Das Letzte, an das ich mich erinnere, ist ein Gespräch mit einem süßen Typen in der Bar. Bei einem Mördermartini.“
Jillian strich sich das Haar aus den Augen. „Was dich nicht umgebracht hat, aber mich beinahe.“
„Häh?“
Sich in eine aufrechte Position kämpfend, sah Jillian ihrer Schwester ins Gesicht. „Ist dir klar, was du gemacht hast?“
Kelly schloss kurz die Augen. „Ich habe mir schlimme Kopfschmerzen eingehandelt?“
„Ich habe deine Handtasche durchsucht. Du hast zwei verschiedene Medikamente eingenommen, eins gegen Bluthochdruck und dann noch Antidepressiva oder so was in der Art. Auf beiden Beipackzetteln steht, dass Alkohol ihre Wirkung verstärken kann.“
„Das verstehe ich jetzt.“
„Ich musste die übrig gebliebenen Tabletten abzählen, um sicherzugehen, dass du dir keine Überdosis verabreicht hast. Aber ich bin wachgeblieben, bis du ungefähr gegen drei heute Morgen angefangen hast zu schnarchen. Und Mensch, du schnarchst vielleicht! Ich glaube, ich habe die Nacht keine zehn Minuten am Stück geschlafen.“
„Oh, Mann“, entgegnete Kelly und rieb sich die Schläfen. „Wer hätte das gedacht?“
„Weißt du, wenn du dir ein kleines Glas Wein genehmigt hättest, dann wärst du vielleicht ein bisschen beschwipst gewesen. Aber einen Martini? Das war zu viel.“
„Ich musste mir Mut antrinken, bevor ich zu dir kam, um deine neue heiße kleine Affäre mit Colin zu stören. Und wegen dieser Pillen – ich habe die Blutdrucktabletten dosiert wie verschrieben, doch die anderen Pillen nur, wenn ich sie brauchte. Da ich mich auf dem Weg hierher schon ziemlich verunsichert fühlte, habe ich
Weitere Kostenlose Bücher