Hand in Hand in Virgin River
ich mich danach immer noch ziemlich genauso fühlte – erbärmlich und am Boden zerstört.“
„Aber Sie haben sich davon erholt?“
„Davon, mich am Boden zerstört und erbärmlich zu fühlen? Lieber Himmel, das hoffe ich. Von der Depression? Vermutlich. Von dem Gefühl, sie zu vermissen? Noch nicht. Allerdings wurde mir versichert, dass es mit der Zeit leichter und besser wird.“
„Das tut mir leid“, meinte sie.
„Danke. Das haben Sie bereits gestern Abend gesagt.“
„Das muss vor meinem wunderbaren Abgang gewesen sein. Darf ich Ihnen einen Tee anbieten?“
„Danke, doch ich habe eine Verabredung. Aber ich würde mir diesen Biobetrieb wirklich gerne einmal ansehen – das Haus und das Grundstück. Ihre Schwester meinte, sie würde mich herumführen und mir den Rest ihrer Ernte …“
Kelly stand auf und hüllte sich fester in die Decke. „Jilly Farms, so nennt sie es. Biofrüchte und -gemüse. Sie ist jetzt draußen und arbeitet. Colin ist oben im Wintergarten und malt. Er ist, neben vielen anderen Dingen, ein Künstler. Das Haus wurde renoviert, bevor sie es gekauft hat – es ist riesengroß und sehr interessant. Wenn Sie nach Ihrem Termin noch einmal vorbeischauen wollen, wird sie Ihnen gerne die Gärten und das Haus zeigen und ich …“ Sie räusperte sich. „Wenn meine Kopfschmerzen weg sind, würde ich mich freuen, für Sie zu kochen. Das mache ich nämlich – kochen.“
„Das wäre nett“, erwiderte er lächelnd. „Ich lasse Sie ein paar Tage in Ruhe und rufe dann an.“
„Und ich erzähle Jill, dass ich eine Verabredung für uns ausgemacht habe.“
Als Lief die Auffahrt hinunter fuhr, sah ihm Kelly hinterher und strich sich durch ihr verstrubbeltes Haar. Muss mein Leben so lächerlich weitergehen ? Wenn schon ein toller Mann hier vorbeikam, um sich zu vergewissern, dass sie in Ordnung war, hätte sie dann nicht wenigstens einmal kurz ihr zerzaustes Haar kämmen können? Oder wenigstens angezogen sein können?
Offenbar war sie gefühlsmäßig wenigstens noch nicht zu sehr durch den Wind, um sein dichtes Robert-Redford-Haar, sein markantes Kinn und die amüsiert funkelnden braunen Augen, in deren Winkel sich Fältchen gebildet hatten, zu bemerken. Er war einer dieser blonden Typen, die schnell braun wurden. Das war ihr ebenfalls aufgefallen. Vor allem mochte sie seine Unterarme. Er hatte die Ärmel seines langärmligen Baumwollhemdes ein wenig aufgekrempelt, und die goldenen Härchen auf seinen muskulösen Unterarmen hatten in der Sonne geglänzt.
Er besaß das gewisse Etwas. Sie konnte allerdings nicht genau sagen, was. Er war angezogen wie die anderen Männer in Virgin River auch, aber seine Art, Jeans und Stiefel zu tragen, wirkte sehr stilvoll. Vielleicht lag es daran, wie er sprach – prägnant und gebildet. Selbst wenn er fluchte, klang er noch wie ein Professor.
Sie lächelte. Verwitwet, was? dachte sie. Könnte es sein, dass er fast schon wieder bereit war, ein neues Leben zu beginnen? Sie schüttelte den Kopf und lachte in sich hinein. Vielleicht würde ihr, wenn sie sich ein drittes Mal begegneten, noch etwas einfallen, wie sie sich noch mehr blamieren könnte, nur für den Fall, dass er nicht bereits davon überzeugt war, dass sie ein totaler Versager war.
Aber er war wirklich scharf.
Das einfache Haus des Therapeuten in Grace Valley, worauf Lief zufuhr, wirkte nicht gerade ermutigend auf ihn; er hatte schon weitaus eindrucksvollere Therapeutenbehausungen gesehen, ohne dass man ihm hätte helfen können. Und dann erst der Therapeut – eine sehr, sehr große, dünne …nein, besser gesagt knochige Vogelscheuche von einem Mann, mit lichtem, beinahe weißblondem Haar und großen Ohren. Und den größten Füßen, die Lief je gesehen hatte. Er hoffte inständig, dass Courtney ihn nicht gleich verspotten würde. Und ihm mitten ins Gesicht lachen.
„Hallo, Mr Holbrook!“, begrüßte ihn der Mann aufmunternd und streckte seine Hand aus, um ihn zu begrüßen. „Ich bin Jerry Powell. Wie geht es Ihnen heute?“
„Gut“, erwiderte er und schüttelte dem Therapeuten die Hand. „Ich meine, nicht gut. Ich habe nie herausgefunden, was man beim ersten Besuch zu einem Therapeuten sagen soll. Dass es einem gut geht, oder dass man dringend Hilfe braucht?“
Jerry lachte. „Kommen Sie in mein Büro, Mr Holbrook, und erzählen Sie mir, wie ich Ihnen helfen kann.“
Nachdem sie Platz genommen hatten – Jerry hinter dem Schreibtisch und Lief davor –, legte Lief gleich
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