Hand in Hand in Virgin River
Kinn nach oben, Hände an den Zügeln. Lief war erleichtert festzustellen, dass die Mädchen Jeans trugen und nichts so Ausgefallenes wie Reithosen. Draußen vor der Reithalle parkten ein Pick-up und ein Pferdeanhänger, mit offener Tür und heruntergelassener Rampe. Die Mädchen sahen zu jung aus, um den Wagen fahren zu dürfen, aber vielleicht hatten ihre Eltern sie und die Pferde hierhergebracht und waren jetzt im Stall oder im Büro des Tierarztes. „Bleib mal einen Augenblick da, Courtney. Ich schaue kurz nach, ob ich Clay oder Lilly finde.“
„Klar“, meinte sie und lehnte sich ans Gatter.
Und während er wegging, dachte er: Oh, Mann, hoffentlich war das kein großer Fehler.
Während Courtney die beiden Mädchen in der Halle beim Reiten beobachtete, musste sie zugeben, dass es so wirkte, als ob sie Spaß hätten, allerdings waren die Mädchen auch schon älter. Fünfzehn oder sechzehn. Und sie war nicht nur erst vierzehn, sondern wahrscheinlich auch noch das kleinste vierzehnjährige Mädchen in ihrer Klasse. Die Chancen standen gleich null, dass sie jemals auf eines dieser riesigen Tiere raufkommen würde. Sie reichte den Pferden gerade mal bis unters Kinn.
„Hallo. Bist du Courtney?“
Courtney wandte sich um. Eine sehr zierliche Frau, die höchstens wenige Zentimeter größer war als Courtney, schritt auf sie zu. Dennoch war sie eine Frau. Im Gegensatz zu Courtneys schmalem, flachem Körper wies ihrer weibliche Rundungen auf. Und sie war wunderschön – dunkles Haar, die gebräunte Haut der amerikanischen Ureinwohner und äußerst ungewöhnliche, strahlend blaue Augen. Sie zog einen Handschuh aus und hielt ihr die Hand hin. „Ich heiße Lilly Tahoma. Dein Vater hat gesagt, dass er dich heute hier vorbeibringen würde.“
„Wo ist er?“, fragte Courtney und blickte sich um.
„Er muss im Büro sein. Komm mal eine Minute mit mir – ich will dir etwas zeigen.“ Und damit drehte sich Lilly um und ging, offenbar erwartend, dass Courtney ihr folgte.
Sie fühlte sich unbehaglich. Aber sicher wussten diese Leute, was sie taten und würden es nicht zulassen, dass sie von einer dieser riesigen Bestien zu Tode getrampelt wurde.
Lilly, die weit vor ihr war, öffnete eine Tür zu einer Box. Sie zog am Halfter eines dunklen Pferds und führte es aus dem Stall heraus. Courtney hielt einen sicheren Abstand.
„Ich möchte, dass du Blue kennenlernst, Courtney. Ihr ganzer Name lautet Blue Rhapsody, aber ich nenne sie Blue.“ Lilly streichelte ihre Nüstern und küsste sie auf die Nase. „Ich habe sie gefunden, kannst du dir das vorstellen? Ich bin gefahren und sah, wie sie sich krank auf dem Boden wälzte. Ich rief Doc Jensen und Clay an und sie haben sich um die Stute, die ausgesetzt worden war, gekümmert. Ich durfte sie behalten.“
Courtney stand ein paar Meter entfernt für den Fall, dass das Pferd ausschlagen und sie mit den Hufen treffen könnte.
„Du kannst ruhig ein bisschen näher kommen. Blue ist wahrscheinlich das liebste und vertrauenswürdigste Pferd im ganzen Stall. Wir wählen sie deshalb immer für neue Reiter aus.“
Courtney näherte sich ein paar Schritte. Über ihre Schulter hinweg entdeckte sie Lief, der im Türrahmen der Stalltür lehnte und sie, die Arme vor der Brust verschränkt, beobachtete. Sie hatte ihm gegenüber noch nie erwähnt, dass ihr die Vorstellung, sich auf so ein riesiges Pferd zu setzen, eine Heidenangst einjagte.
„Sie ist total brav, Courtney. Vor allem im Stall, mit mir – das ist eine übersichtliche Umgebung. Nichts, was ihr Angst macht.“
„Wie alt waren Sie, als Sie reiten gelernt haben?“, fragte Courtney.
„Ich bin nicht mehr so ganz sicher. Doch ich war noch sehr klein. Ich bin in einem Hopi-Reservat groß geworden, und mein Großvater hat mich auf das Pferd eines Nachbarn gesetzt. Wir hatten keine Pferde, doch unsere Nachbarn, und sie brachten mir das Reiten bei. Dann zogen wir um, und ich habe jahrelang nicht mehr auf einem Pferd gesessen – bis ich Mitte zwanzig war.“
„Nun“, meinte Courtney mit leiser Stimme. „Ich habe zwar schon ein oder zwei Mal mit Pferden zu tun gehabt, allerdings habe ich noch nie auf einem geritten.“
„Fühlst du dich in der Gegenwart von Pferden unwohl?“, erkundigte sich Lilly.
„Ziemlich, würde ich sagen.“
„Das würde ich als ein echtes Plus betrachten“, erklärte Lilly. „Ich sag dir, warum – du würdest vermutlich sehr viel Wert auf Sicherheit legen, mehr als die anderen
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