Hand in Hand in Virgin River
wollte – er hat weder Zeit mit Courtney verbracht noch hat er sie beschützt. Ich habe einen Teil des Unterhalts gezahlt, damit sie ein paar Wochenenden im Monat bei mir sein durfte, doch das war sicher kein ausreichender Motivationsgrund für das Großmaul Stu. Und du kannst dir vermutlich vorstellen, was geschah – Courtney hat sich verändert. Es begann mit ihrem Aussehen. Als Nächstes fing sie an, sich schlecht zu benehmen, zurückzuschlagen. Plötzlich sahen ihre Haare total anders aus. Sie hatte es sich in verschiedenen Farben gefärbt und sich in eine kleine Horrorbraut verwandelt. Stu war bereit zu verhandeln. Danach durfte sie bei mir wohnen und besuchte Stu ab und zu, wobei sie auf dem ganzen Weg dorthin immer um sich geschlagen und herumgeschrien hat. Es gab ein paar Dinge, die mir erst später aufgefallen sind, nachdem sie wieder bei mir lebte, Dinge, die ich gleich hätte bemerken sollen, allerdings habe ich nicht allzu viele Erfahrungen als Vater“, fuhr er fort. „Sie hörte ungefähr sechs Monate nach dem Tod ihrer Mutter auf zu weinen, ungefähr sechs Monate, nachdem sie in Stus Heim gequält worden war. Sie lächelte auch nicht mehr. Regelmäßig habe ich ihren Browserverlauf kontrolliert und entdeckt, dass sie Selbstmordseiten aufgerufen hatte. Sie aß wie ein Spatz und schien sich für nichts mehr zu interessieren oder sich an etwas erfreuen zu können wie Eis oder Schokolade. Ihre Noten verschlechterten sich. Solche Sachen eben. Und dann, eines Tages, ungefähr anderthalb Jahre nach Lanas Tod, kam alles ans Licht. Courtney rief mich aus dem Haus ihres Vaters an und flehte mich an, sie abzuholen – ihre Stiefmutter hatte sie rausgeworfen und ihr gedroht, sie ins Waisenhaus zu schicken. Courtney brüllte herum, dass sie weglaufen würde, wenn ich nicht kommen würde, um sie mitzunehmen. Sie schlief auf dem Fußboden, weil Sherrys Mutter zu Besuch war, und sie blutete am Kopf, da sie von einem Spielzeugauto getroffen worden war.“
Kelly schnappte nach Luft und schlug sich die Hand vor den Mund.
„Und ich habe nichts daraus gemacht. Es einfach verpasst. Ich war in dreißig Minuten dort. Courtney öffnete die Tür, und ich verlangte von ihr, mir zu zeigen, wo sie schlief – im Schlafsack auf dem Boden des Spielzimmers. Ich bat sie, mir ihr richtiges Zimmer zu zeigen – ein Gästezimmer, das eingerichtet war wie für eine alte Frau. Schrank, Kommode und Badezimmer waren voller Zeug für alte Frauen – Stu hatte nicht einmal ein Zimmer für seine Tochter eingerichtet. Eine blutende Wunde am Kopf von einem Spielzeugauto? Das alleine wäre schon genug gewesen, um es gegen ihn zu verwenden. Ich hörte den Fernseher und fand Sherry und deren Mutter beim gemeinsamen Yogastündchen im Fernsehzimmer. Sie tranken Wein und kicherten die ganze Zeit, denn sie waren beschwipst. Ich schickte Courtney auf den Flur, wo sie auf mich warten sollte, und stürmte in Stus Büro, um ihn am Hemdkragen von seinem Stuhl zu zerren. Ich schleppte ihn ins Spielzimmer, das Gästezimmer, den Fernsehraum und zur Haustür, damit er sich Courtneys Verletzung anschaute, die später mit drei Stichen genäht werden musste. Und dann bat er mich, die kleine Irre aus seinem Leben zu entfernen, weil er genug von ihrer andauernden Meckerei habe. Und ich stieß ihn gegen die Wand, warf ihm eine Menge schlimmer Schimpfwörter an den Kopf und drohte, ihn umzubringen.“
Kelly schwieg. Als sie schließlich wieder sprechen konnte, sagte sie: „Au weia.“
„Ja“, erwiderte er und blickte zu Boden. „Ganz große Hollywood-Producer sollten sich nicht mit einen Farmersjungen anlegen. Wir sind da draußen auf dem Land ein bisschen rau aufgewachsen.“
„Meine Güte, Lief. Ich hatte keine Ahnung, wie traumatisiert sie gewesen ist.“
„Völlig. Ich habe sie nach Hause gebracht, ihr einen Therapeuten gesucht, obwohl ich nicht feststellen konnte, dass es viel geholfen hat. Ich begann mich nach Häusern außerhalb der Stadt umzusehen und entdeckte unser jetziges Heim. Es dauerte fünf Monate, bis ich es gefunden hatte. Und ob du es glaubst oder nicht, Courtney hat es seit letztem Frühjahr weit gebracht.“
„Es scheint so, als ob sie, seit ich sie kennenlernt habe, eine Menge geschafft hat. Wenigstens muss sie nie wieder ins Haus ihres Vaters zurück.“
„Nun, das ist das Problem. Stu hat mich heute Morgen angerufen. Er will sie an Weihnachten bei sich haben …“
„Tu das nicht!“, fiel Kelly ihm ins Wort.
„Ich habe
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