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Hand und Ring

Titel: Hand und Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kathrine Green
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Menschenleben, das bald in Nacht und Dunkel verschwinden soll.
    Von ihrem Platz aus konnte Imogen zwar des Rechtsanwalts Gesicht nicht sehen, aber aus seiner ganzen Haltung sprach solche Hoffnungslosigkeit, ein so tiefer Lebensüberdruß, daß sie unwillkürlich zusammenschrak. War dies der Mann, auf den sie all ihr Vertrauen gesetzt hatte, den sie noch in so später Stunde aufsuchte, um sich Rat zu erbitten wegen des Betrugs, der an ihr verübt worden war?
    Jetzt wandte er das Haupt nach ihrer Richtung. Wohl hatte sie seine Züge während der letzten Wochen von so mancher Leidenschaft erregt gesehen, aber der Ausdruck, den sie jetzt trugen, war entsetzlich und ihr völlig neu; sie fühlte ihr Herz in der Brust stillstehen vor Furcht und Grauen. Von dem unheimlichen Blick wie gebannt, stand sie noch lange starr da, als er schon wieder in die Asche des Kamins stierte. Ihr war, als sei plötzlich vor ihren Augen der Schleier zerrissen, als habe sie eine Seele sich in der Qualder Verzweiflung winden sehen. Und sie selbst war es gewesen, die durch ihre heutige Tat diese furchtbare Veränderung verursacht hatte; sie war schuld an der völligen Umwandlung des Mannes, für den sie bisher stets Hochachtung und Verehrung empfunden. Wie vernichtet sank sie bei dem Gedanken in die Knie und stammelte ein Gebet um Kraft, auch dieses schwere Leid, diese neue Enttäuschung zu ertragen.
    Sich zusammenraffend stand sie auf, bot dem kalten Nachtwind die Stirn und sog die reine Luft mit tiefen Atemzügen in ihre gepreßte Brust. Dann hob sie die Hand und klopfte an die Fensterscheibe. Der Ton klang scharf durch die Stille der Nacht; sie hüllte sich fester in den Mantel und wartete.
    Schon kam Orkutts schneller Tritt über den Fußboden, der Vorhang ward zurückgezogen. – Wer ist da? rief eine erregte Stimme. Imogens düstere Gestalt gewahrend, die hoch aufgerichtet auf der Veranda stand, fuhr der Rechtsanwalt betroffen zurück und machte eine heftig abwehrende Bewegung.
    Sie ließ sich jedoch nicht beirren, trat in das Zimmer, schloß die Glastür wieder hinter sich, und jetzt standen die beiden einander gegenüber. In Orkutts wilden Blicken glühten Liebe und Zorn.
    Sie hier? rief er mit heiserer Stimme. Was wollen Sie noch von mir, Unglückselige, nach dem, was Sie heute getan? War es nicht genug, daß Sie seit Wochen und Monaten mit meiner Liebe, meinem Elend ein erbärmliches Spiel getrieben haben? Mußten Sie auch noch in der letzten Stunde gegen mich aufstehen und meinen Ruf in den Augen der Welt vernichten? Was brachte Sie zu der wahnsinnigen Aussage, daß Sie selbst das Verbrechen begangen hätten, um dessentwillen Ihr Geliebter vor Gericht stand? Ist das der Lohn für die Hingabe und Opferwilligkeit, mitder ich alles versucht habe, um den Menschen zu retten und Ihre Hand zu gewinnen?
    Sein heftiger Vorwurf erschütterte sie nicht. Jede Frau hätte an meiner Stelle ebenso gehandelt und in der äußersten Not die Wahrheit eingestanden, sagte sie ruhig.
    Orkutt brach in verächtliches Lachen aus.
    Die Wahrheit? – rief er. Sind Sie von Sinnen? Wollen Sie auch mir gegenüber das rasende Possenspiel fortsetzen? – Sie sind so unschuldig an dem Verbrechen, wie ein neugeborenes Kind; in unbegreiflicher Verblendung haben Sie den törichten Schritt getan, alle meine Mühe zunichte gemacht und mein Glück zerstört.
    Lassen Sie uns nicht streiten über das, was ich getan habe und was nicht mehr zu ändern ist, erwiderte sie. Ich habe mich selbst zugrunde gerichtet, aber das ist jetzt völlig nebensächlich; was mich einzig und allein bekümmert, ist, daß ich durch mein Opfer Craik Mansell nicht habe retten können.
    Und an mich, an meine Leiden denken Sie nicht, Imogen?
    Wer vor der Welt entehrt dasteht, wie ich, darf den Blick nicht mehr zu Ihnen erheben; es wäre eine Beleidigung für Ihren Ruf, Ihre Stellung.
    Ja, sie hatte recht; Orkutt mußte es sich eingestehen. Vor der Welt waren sie auf ewig getrennt, eine unübersteigliche Kluft gähnte zwischen ihnen. Von Unruhe und Schmerz gepeinigt, durchmaß er das Zimmer mit raschen Schritten.
    Als er zu ihr zurückkam, war es nicht mehr der unglückliche Liebhaber, sondern der Anwalt, welcher sprach.
    Was hat Sie vermocht, Imogen, fragte er, ein so entsetzliches Mittel zu wählen? Hatten Sie denn alles Vertrauen zu mir verloren? Ich versprach Ihnen doch, den Mann vor dem Schicksal zu retten, das ihn bedrohte!
    Das Unmögliche können auch Sie nicht vollbringen,war die Antwort; ich

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