Hand und Ring
wußte, daß Craik verloren sei, wenn ich vor Gericht das Zeugnis ablegte, das Herr Ferris von mir forderte.
So bekennen Sie also, daß Ihre Aussage falsch war, rief er schnell, die Blöße benützend, die sie sich unbedachtsam gegeben hatte. Sie haben Ihre Selbstanklage erfunden, um nicht zu Aussagen gezwungen zu werden, die dem Gefangenen verderblich sein mußten? –
Ihre Lippen bebten, und sie wechselte die Farbe. –
Warum soll ich es Ihnen länger verbergen, sagte sie, ja, ich habe mich für schuldig bekannt, um Craik Mansell nicht durch mein Zeugnis zu verdammen. Ich hatte so viel gelitten, daß ich zum äußersten entschlossen war, um ihn dem Verhängnis zu entreißen, das ich selbst über ihn heraufbeschworen. Ich vergaß, daß die Lüge nicht vor Gott bestehen kann.
So bereuen Sie also, daß Sie durch Ihr falsches Zeugnis mein Glück zerstört haben?
Ich bereue, daß ich nicht auf Gott vertraute und die Wahrheit sprach.
Bei diesen einfachen Worten, die aus aufrichtigem Herzen kamen, schrak Orkutt zurück.
Leider kommt diese Erkenntnis zu spät, sagte er spöttisch.
Sie ist die Folge von Aufschlüssen, die mir erst jetzt geworden sind. Ich habe mich überzeugt, daß es unmöglich gewesen wäre, meine Behauptung aufrecht zu erhalten und daß mein Versuch, Mansell zu retten, selbstmörderische Torheit war.
Nur des Zweckes eingedenk, der sie noch zu später Nachtstunde hergeführt, trat Imogen näher an den Rechtsanwalt heran. Ich hatte guten Grund, an Mansells Schuld zu glauben, sagte sie eifrig; nicht nur, daß alle Tatsachen, die vor Gericht enthüllt wurden, gegen ihn zeugten: ich selbst hatte ihn mit eigenen Augen in wilder Hast von FrauKlemmens' Eßzimmer entfliehen sehen, um die Zeit, als eben der Mord geschehen war.
Orkutt starrte sie ungläubig an. Unmöglich, murmelte er.
Ich sah ihn, fuhr sie fort, durch das Fernrohr in Professor Darlings Sternwarte, das auf die Stadt zu gerichtet war; ich hatte zuvor nach der Turmuhr geschaut: es war genau fünf Minuten vor zwölf.
Und gerade in dem Moment sahen Sie ihn durch das Fernrohr, das Sie selbst auf jenen Punkt gerichtet hatten? Das ist unglaublich, wunderbar! Orkutt wandte sich ab, trat an den Kamin und stieß mit dem Fuß nach den verkohlten Holzstücken, die in der Asche lagen. Man wäre fast versucht, an Gott und sein Walten zu glauben, hörte ihn Imogen zwischen den Zähnen murmeln.
Sie fuhr zusammen, wie von einem Schlage getroffen. Leugnen Sie Gottes Dasein? fragte sie mit bleichen Lippen und angstvoller Gebärde. O, seine Gerichte sind schwer und furchtbar. Er fordert Blut für Blut, er stürzt den Schuldigen in den verdienten Tod. – Wollte er mir nur gnädig sein und mein Opfer annehmen, wie gerne gäbe ich mein Leben hin, das für mich keinen Wert mehr hat, könnte ich dadurch den Geliebten retten.
Mansell und immer wieder Mansell, rief Orkutt mit ausbrechendem Zorn. Das geht zu weit, Imogen. Geben Sie endlich diese endlose Leidenschaft für einen Mann auf, der Sie nicht mehr liebt, der – –
Nicht weiter, bat sie bebend, schonen Sie mein, lassen Sie mich vergessen –
Er lachte höhnisch auf. Sie haben solche Rücksicht um mich verdient, das muß ich sagen, rief er; dann fuhr er ruhiger fort: Hat Sie kein anderer Grund heute nacht hierher geführt, als der, mir diese seltsame Geschichte zu erzählen?
Sie blickte zu Boden. Herr Ferris, sagte sie, bestand darauf, ich solle vor Gericht bezeugen, daß ich den Angeklagten vom Hause seiner Tante hatte entfliehen sehen; ich vermochte das nicht, es hätte ihm das Leben gekostet. – Zu Ihnen trieb mich ein anderer Zweck; ich wollte Ihnen mitteilen, wie schändlich ich betrogen worden bin. Man hat mich glauben machen, daß Craik Mansell selbst mir gegenüber seine Schuld eingestanden habe und sich nur auf die Verteidigung verlasse, um der Strafe zu entgehen.
Voll Entrüstung erzählte ihm hierauf Imogen, welche Täuschung der Detektiv ersonnen hatte, um ihr das Geheimnis zu entlocken. Aber Orkutt hörte ihr teilnahmlos zu; was sie berichtete, empörte ihn nicht, schien ihm überhaupt kaum einen Eindruck zu machen. Mit Schrecken ward Imogen inne, daß sich eine unübersteigliche Scheidewand zwischen ihnen erhoben hatte, seit er die Hoffnung aufgegeben, sie zu seinem Weibe zu machen. Was sollte daraus werden?
Haben Sie denn alles Interesse an Ihrem Klienten verloren? Hoffen und wünschen Sie nicht mehr, ihn freigesprochen zu sehen? fragte sie vorwurfsvoll.
Mein Klient hat seine Sache
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