Hand und Ring
an seine Schuld zu glauben. Sie wollte fort, fort aus den Augen dieser Menschen, welche, wie sie wohl wußte, ihre Worte und Blicke zu deuten suchten.
Ferris verstand ihre Bewegung.
Möchten Sie nach Hause zurückkehren? fragte er.
Ja, wenn ich einen Wagen haben kann.
Auf einen Wink des Bezirksanwalts entfernten sich die Detektivs, um ihren Wunsch zu erfüllen.
Bevor Sie gehen, Fräulein Dare, sagte Ferris, als sie allein waren, möchte ich Sie noch einmal dringend ermahnen, zu warten und Geduld zu haben. Eine plötzlicheoder gewaltsame Handlung Ihrerseits kann zu nichts Gutem führen und großen Schaden anrichten. Folgen Sie meinem Rat, bleiben Sie ruhig in Ihrer Wohnung und verlassen Sie sich darauf, daß Orkutt und ich alles tun werden, was in unserer Macht steht, um dem Recht und der Wahrheit zum Siege zu verhelfen!
Sie neigte sich schweigend und blickte in fieberhafter Erregung nach der Tür.
Wir dürfen sie nicht aus den Augen verlieren, überlegte Ferris stillschweigend, während er nicht weniger ungeduldig die Ankunft der Detektivs herbeisehnte.
Als diese endlich erschienen, warf er Byrd einen vielsagenden Blick zu, welchen dieser verstand. Imogen verließ das Zimmer, um in den unten wartenden Wagen zu steigen, und die Detektivs folgten ihr.
Fünfunddreißigstes Kapitel.
In dem engen kleinen Zimmer, das jetzt ihr einziger Zufluchtsort war, fand Imogen die ersehnte Einsamkeit.
Die beiden Detektivs hatten sich in der Nähe des Hauses getrennt voneinander aufgestellt, um ihr zu folgen, für den Fall, daß sie das Haus verlassen sollte. Zu dem Geschäfte hätte wohl ein Mann genügt, aber keiner wollte dem andern den Posten abtreten, obwohl sie ihre Wachsamkeit aller Wahrscheinlichkeit nach ganz vergeblich anstrengten. Was sollte wohl Imogen bewegen, noch einmal den Schutz des Hauses zu verlassen und sich an diesem Abend hinauszuwagen?
Es vergingen mehrere Stunden. In der Stadt, wo den Tag über ein so unruhiges Treiben geherrscht hatte,war es still geworden; sie lag friedlich da im Scheine der Mondsichel.
Wahrlich kein Schauplatz für Gewalttat und Verbrechen, dachte Byrd, während er fortfuhr, das Fenster drüben zu beobachten, hinter dessen Vorhängen sich jedoch nichts regte.
Plötzlich aber erlosch die Lampe, die es erhellt hatte, und bald darauf ward die Haustür vorsichtig geöffnet. Eine hohe, dicht verhüllte Gestalt trat heraus und schritt eilig die Straße hinunter.
Rasch gab Byrd das mit Hickory verabredete Zeichen und folgte Imogen auf dem Fuße. Sie glitt im Schatten der Häuser dahin durch das Geschäftsviertel der Stadt, wo nur hier und da das Licht einer Laterne seinen matten Schein in das tiefe Dunkel warf. Erst als die breite Allee im östlichen Stadtteil erreicht war, gelang es Hickory, seinen Gefährten einzuholen.
Wer wohnt in dieser Gegend? Wo will sie hin? keuchte er.
Vielleicht zu Fräulein Tremaine, flüsterte Byrd, das Gymnasium ist hier in der Nähe.
Jetzt bog die Gestalt vor ihnen abermals um die Ecke und schlug den Weg nach der Parkstraße ein.
Halt, nun weiß ich's, triumphierte Hickory, sie will Orkutt aufsuchen.
Von neuem Eifer beseelt folgten die Detektivs der mit Windesschnelle Dahineilenden und langten endlich atemlos bei der hohen Baumgruppe an, welche den Eingang zu des Rechtsanwalts Grundstück bezeichnete. Eben hörten sie das Tor zufallen, und ohne sich lange zu besinnen, kletterte Byrd über die Hecke, es seinem Kollegen überlassend, ob er ihm folgen wolle oder nicht.
Unterdessen war Imogen, vom Gartenweg abbiegend, an die Veranda des Hauses vorgetreten. Als sie die dahinterliegenden Fenster des Erdgeschosses erleuchtet sah – ein Zeichen, daß der Herr des Hauses sich noch im Bibliothekzimmer befand – lehnte sie sich einen Augenblick an das Weinspalier, um nach dem raschen Gang erst wieder zu Atem zu kommen, ehe sie dem Rechtsanwalt ihre Gegenwart kund tat. Dann trat sie dicht an die ein wenig geöffnete Verandatür; es schlug gerade neun Uhr.
Durch einen Spalt im Vorhang vermochte sie in das Innere zu sehen, und der Anblick, der sich ihr bot, erschütterte sie tief. Orkutt saß vor dem ausgebrannten Kamin, nur noch wenige Funken glühten in der toten Asche, neben ihm lagen Papiere, die er vom Pult genommen hatte, aber er schrieb nicht und las nicht, er schien nur vor sich hinzubrüten in einsamer Qual. Die einzige Lampe, die das Gemach erhellte, war tief herabgebrannt und flackerte von Zeit zu Zeit auf, gleich einem erlöschenden
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