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Handbuch für anständige Mädchen

Handbuch für anständige Mädchen

Titel: Handbuch für anständige Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elaine Di Rollo
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Enttäuschung und Ärger, als er sich gezwungen sah, Mrs Birchwoode, Mrs Toomey, Mrs Ravelston und ihre Gatten zu begrüßen, außerdem Miss Forbes und Miss Bell (beide Damen keuchten bei seinem Anblick auf und nahmen einander bei den Händen), Dr. Mossly und Mr Vine und Captain Forbes, Captain Wheeler und Captain Lewis aus der Kaserne. Ja, es waren so viele Besucher anwesend, dass Mr Hunter keinen Sitzplatz fand und neben der hookah stehen musste, als sei er einer der Träger. Gierig betrachtete er die Wasserpfeife. Wie er sich wünschte, einmal daran ziehen zu können. Er fragte sich, wo Lilian steckte.
    »Anscheinend zieht sich Mrs Fraser gerade um«, erklärte Mrs Birchwoode, als könne sie seine Gedanken lesen. »Das sagt jedenfalls dieser Bursche Harshad.«
    »Hat sie wieder ihre Breeches angehabt?«, fragte Captain Wheeler. Er war in der Hoffnung auf eine unterhaltsame Ablenkung mitgekommen, da seine Routine gewöhnlich daraus bestand, die sepoys auf dem Paradeplatz in der Sonne auf- und abmarschieren zu lassen oder mit den anderen Offizieren in der Kaserne herumzusitzen. Er grinste Captain Forbes und Captain Lewis zu.
    Mrs Birchwoode gab ein missbilligendes Geräusch von sich. »Gut möglich. Seit dem Tod ihres Mannes ist sie völlig außer Rand und Band.«
    Der punkah- Fächer an der Decke schwang hin und her, sodass die Straußenfedern in Mrs Birchwoodes Frisur wie die Fühler eines riesenhaften Insekts erzitterten. »Sie werden sich zweifellos fragen, warum wir hier sind, Mr Hunter. Ganz offensichtlich sind wir hier, um Mrs Fraser zu sagen, dass es mit ihrem Verhalten einfach nicht so weitergehen kann, nicht darf. Der Friedensrichter hat ihr ein Kajütenbett für die Heimreise besorgt. Von Kalkutta aus. Es wäre das Beste, wenn sie führe. Die Sonne, die Hitze, die Trauer um den verstorbenen Gatten, all diese Dinge können dazu führen, dass Leute das eigenartigste Benehmen an den Tag legen. Wir haben das alles schon mit angesehen. Unser werter Mr Gilmour, der ehemalige Bewohner just dieses Bungalows …«
    Seufzend griff Mr Hunter nach der hookah. Was machte es jetzt noch, was diese Leute von ihm hielten? Er bedeutete dem Träger, sie anzuzünden. »Wissen Sie, ich ziehe wirklich den Tabak vor, wie sie ihn im Landesinnern zubereiten. Der Tabak aus Kalkutta ist im Vergleich dazu regelrecht langweilig.« Er führte die Pfeife an seine Lippen. In dem Gefäß blubberte es.
    »Der springende Punkt ist doch, Mr Hunter«, sagte Mrs Birchwoode, »der springende Punkt ist, dass man nicht zu einem Eingeborenen werden darf. Ich weiß nicht recht, ob Mrs Fraser das begreift. Ich weiß nicht recht, ob Sie es begreifen. Haben Sie denn nicht von den Unruhen in Barrackpur gehört? Solch Unverschämtheit kommt nur vor, wenn der Eingeborene glaubt, damit durchzukommen. Wenn er glaubt, wir seien nicht seine Herren. Aber wir sind ihre Herren, Mr Hunter. Wir sind ganz bestimmt nicht ihre Freunde. Sie mit Ihren umfassenden Erfahrungen in Indien sehen das doch gewiss ein, selbst wenn es Mrs Fraser nicht gelingt, die noch nicht einmal zwei Jahre hierzulande verbracht hat und die deshalb kaum mehr als ein Neuankömmling im Orient ist.«
    »Die Unruhen in Barrackpur werden im Sande verlaufen«, sagte Mr Vine. »Bloß ein paar sepoys im bhang- Rausch, nichts weiter. Um die Täter hat man sich gekümmert, wie ich hörte. Das wird der Sache ein Ende bereiten.«
    »Welche Unruhen?«, sagte Miss Bell. Da sie noch nicht einmal ein Jahr in Kushpur war und deshalb mehr als jeder andere ein Neuankömmling, hatte sie keine Ahnung, wovon Mrs Birchwoode und Mr Vine sprachen. Doch sie entsann sich, auf ihrem Weg nach Norden von Kalkutta in Barrackpur haltgemacht zu haben. Der Ort hatte recht ereignislos gewirkt. »Was ist passiert?«
    »Ein sepoy hat einen britischen Unteroffizier angegriffen«, sagte Captain Lewis. »Der Knabe ist ganz bestimmt betrunken gewesen. Sie haben den Mistkerl aufgehängt, zusammen mit diesem aufsässigen jemadar, der sich geweigert hat, ihn zu verhaften. Die gesamte Bengal Native Infantry ist entlassen worden, um die Bande zu bestrafen. Das haben sie verdient, wenn Sie mich fragen. Sie sollten bloß in die Kartusche beißen wie jeder andere auch, und damit fertig.«
    »›In die Kartusche beißen‹?« Verwirrt blickte Miss Bell von Captain Lewis zu Captain Forbes.
    »Man hat uns mit neuen Gewehren ausgerüstet. Ein famoser Mechanismus, aber man muss die Kartusche mit den Zähnen aufbeißen«, sagte Captain Lewis,

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