Handyman Jack 01 - Die Gruft
tausendmal getan hatte, seit Kusum sie hier eingesperrt hatte. Er ließ sich drehen, aber die Tür öffnete sich nicht, egal, wie sehr sie an ihr zog. Eine genauere Inspektion zeigte ihr, dass Kusum den Schließmechanismus einfach umgedreht hatte – die Tür, die von innen verschließbar sein sollte, wurde jetzt von außen verschlossen.
Die Stahltür am Ende des Korridors klapperte. Kolabati trat zurück, als die Kabinentür sich öffnete. Kusum stand da mit einem flachen Päckchen und einer großen braunen Papiertüte im Arm. In seinen Augen stand ehrliches Mitgefühl, als er sie ansah.
»Was hast du Jack angetan?«, brach es aus ihr heraus, als sie diesen Blick sah.
»Ist das deine größte Sorge?«, fragte Kusum und seine Miene verfinsterte sich. »Ist es dir egal, dass er mich umbringen wollte?«
»Ich will euch beide am Leben«, sagte sie und meinte das auch.
Kusum schien etwas besänftigt. »Das sind wir – beide. Und Jack bleibt auch am Leben, solange er mir nicht in die Quere kommt.«
Kolabati bekam vor Erleichterung weiche Knie. Und jetzt, da sie wusste, dass Jack nichts passiert war, konnte sie sich auf ihr eigenes Schicksal konzentrieren. Sie machte einen Schritt auf ihren Bruder zu.
»Bitte lass mich hier raus, Kusum.« Sie hasste es, ihn anzubetteln, aber sie wollte auf keinen Fall eine weitere Nacht eingesperrt in dieser Kabine verbringen.
»Ich weiß, dass du eine unbequeme Nacht verbracht hast«, sagte er, »und das tut mir auch leid. Aber es wird jetzt nicht mehr lange dauern. Heute Nacht wird deine Tür nicht mehr verschlossen sein.«
»Heute Nacht? Warum nicht jetzt?«
Er lächelte. »Weil wir noch nicht auf hoher See sind.«
Ihre Hoffnung erlosch. »Wir legen heute Nacht ab?«
»Kurz nach Mitternacht ist Gezeitenwechsel. Ich habe Vorbereitungen zur Ergreifung der letzten Westphalen getroffen. Sobald sie sich in meiner Gewalt befindet, legen wir ab.«
»Noch eine alte Dame?«
Kolabati bemerkte für einen kurzen Moment einen verlegenen Ausdruck in seinem Gesicht.
»Das Alter spielt keine Rolle. Sie ist die Letzte aus dem Geschlecht der Westphalen. Das ist alles, was zählt.«
Kusum setzte die Tüte auf dem Aufklapptisch ab und begann auszupacken. Er förderte zwei kleine Flaschen mit Fruchtsaft, eine Tupperschüssel mit einer Art Salat, Essbesteck und Pappbecher zutage. Unten in der Tüte waren noch einige Zeitungen und Zeitschriften, alle auf Hindi. Er öffnete die Schüssel und der Geruch von Reis und Currygemüse erfüllte den Raum.
»Ich habe dir etwas zu Essen gebracht.«
Trotz ihrer Verzweiflung und Frustration spürte Kolabati, wie der Speichel in ihrem Mund zusammenlief. Aber sie bezwang ihren Hunger und ihren Durst und sah zu der offenen Kabinentür. Wenn sie ein paar Schritte Vorsprung bekam, konnte sie Kusum vielleicht einschließen und entkommen.
»Ich bin am Verhungern,« sagte sie und näherte sich dem Tisch in einem Winkel, der sie zwischen Kusum und die Tür brachte. »Es riecht hervorragend. Wer hat es gemacht?«
»Ich habe es für dich in einem kleinen indischen Restaurant an der 5th Street gekauft. Es wird von einem Ehepaar aus Bengalen betrieben. Gute Leute.«
»Dessen bin ich sicher.«
Ihr Herz hämmerte, als sie sich näher an die Tür heranschob. Was, wenn ihre Flucht misslang? Würde er ihr etwas antun? Sie sah nach links. Die Tür war nur zwei Schritte entfernt. Sie konnte es schaffen, aber sie hatte Angst vor dem Versuch.
Es musste jetzt sein!
Sie sprintete auf den Korridor zu. Ein spitzer Angstschrei entfuhr ihr, als sie nach dem Knauf griff und die Tür hinter sich ins Schloss zog. In dem Augenblick, als sie zufiel, war Kusum an der Tür. Kolabati fummelte hektisch an dem Schloss und jauchzte vor Freude auf, als sie hörte, wie der Bolzen einrastete.
»Bati, ich befehle dir, die Tür augenblicklich zu öffnen!«, schrie Kusum wuterfüllt von der anderen Seite.
Sie rannte zur Außentür. Sie würde sich erst wirklich frei fühlen, wenn sich eine Wand aus Stahl zwischen ihr und ihrem Bruder befand. Ein Krachen hinter ihr ließ sie zurückblicken. Die Holztür explodierte nach außen. Sie sah für den Bruchteil einer Sekunde Kusums Fuß, als die Tür in tausend kleine Splitter zerbarst. Kusum kam in den Korridor und setzte ihr nach.
Die Angst trieb sie an. Sonnenlicht, frische Luft und die Freiheit lockten auf der anderen Seite der Stahltür. Kolabati hechtete hindurch und warf sie zu. Aber bevor sie sie verriegeln konnte, hatte Kusum sich mit
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