Handyman Jack 01 - Die Gruft
war ungekämmt und seine Rasur sehr nachlässig.
»Ich hatte nicht mit dir gerechnet,« sagte sie, als er eintrat.
Es ärgerte sie, dass er einfach so ohne Voranmeldung auftauchte. Andererseits war sie aber auch froh, ihn zu sehen. Es war eine sehr lange, angstvolle Nacht gewesen. Und eine einsame. Sie begann sich zu fragen, ob sie ihre Gefühle Jack gegenüber jemals auf die Reihe kriegen würde.
Eunice schloss die Tür und sah Gia fragend an. »Ich wollte gerade das Essen auftragen. Soll ich ein weiteres Gedeck auflegen?«
Die Stimme der Haushaltshilfe war tonlos. Gia wusste, dass ihre Herrinnen ihr fehlten. Eunice hatte sich in die Arbeit gestürzt und die ganze Zeit von Nellies und Graces bevorstehender Rückkehr gesprochen. Aber selbst sie schien langsam die Hoffnung zu verlieren.
Gia wandte sich an Jack: »Bleibst du zum Mittagessen?«
Er zuckte die Achseln. »Sicher.«
Als Eunice davoneilte, meinte Gia: »Solltest du nicht auf der Suche nach Nellie sein?«
»Ich wollte hier sein,« sagte er. Es war eine einfache Feststellung.
»Hier wirst du sie nicht finden.«
»Ich glaube nicht, dass ich sie finden werde. Ich befürchte, dass wird niemand.«
Die Endgültigkeit in dieser Bemerkung entsetzte Gia. »Was … was hast du herausgefunden?«
»Es ist nur so eine Ahnung,« sagte er und schlug die Augen nieder, als sei es ihm peinlich zuzugeben, dass er sich von Ahnungen leiten ließ. »Genauso wie ich den ganzen Morgen diese andere Ahnung hatte, dass ich hier sein sollte.«
»Und das ist alles, worauf die dich verlässt? Ahnungen?«
»Lass mich einfach machen, Gia.« In seiner Stimme lag eine Schärfe, die sie noch nie bei ihm gehört hatte. »Würdest du mich bitte einfach machen lassen?«
Gia wollte ihn gerade zu klareren Antworten drängen, als Vicky ins Zimmer stürmte. Vicky vermisste ihre beiden Tanten, aber Gia hatte Vicky bei Laune gehalten, indem sie ihr erzählt hatte, Nellie sei weggegangen, um nach Grace zu suchen. Jack hob sie hoch und setzte sie sich auf die Hüfte, aber seine Antworten auf ihr Geschnatter bestanden fast nur aus unverbindlichen Grunzlauten. Gia hatte ihn noch nie so unkonzentriert gesehen. Er schien beunruhigt, fast als wisse er nicht weiter. Und das schreckte sie am meisten. Jack war immer ein Felsen der Selbstsicherheit. Hier stimmte etwas ganz und gar nicht und er wollte nicht darüber reden.
Die drei folgten Eunice in die Küche, die dort das Mittagessen vorbereitete. Jack ließ sich auf einen Stuhl am Küchentisch fallen und stierte trübsinnig in die Luft. Vicky schien zu bemerken, dass er nicht so wie sonst auf sie reagierte, und ging in den Garten zu ihrem Spielhaus. Gia setzte sich ihm gegenüber und beobachtete ihn. Sie wollte unbedingt wissen, was er ihr verschwieg, konnte aber nicht danach fragen, solange Eunice in der Nähe war.
Vicky rannte aus dem Garten herein und hatte eine Orange in der Hand. Gia überlegte kurz, wo die wohl herkam. Sie hatte gedacht, die Orangen wären ihnen ausgegangen.
»Mach den Orangenmund! Mach den Orangenmund!«
Jack riss sich zusammen und setzte ein Lächeln auf, mit dem man nicht einmal einen Blinden hätte täuschen können.
»Na gut, Vicks. Der Orangenmund. Nur für dich.«
Er blickte zu Gia und machte eine sägende Bewegung mit der Hand. Gia stand auf und suchte nach einem Messer. Als sie zurückkam, schüttelte er sich die Hand ab.
»Was ist los?«
»Das Ding hier leckt. Das ist offenbar eine wirklich saftige Orange.« Er schnitt sie in der Mitte durch. Bevor er sie viertelte, rieb er sich mit dem Handrücken über die Wange. Plötzlich war er auf den Beinen und der Stuhl polterte hinter ihm zu Boden. Sein Gesicht war schneeweiß, als er sich die Finger unter die Nase hielt und daran roch.
»Nein!«, schrie er auf, als Vicky nach einer der Orangenhälften griff. Er packte ihre Hand und stieß sie heftig zur Seite. »Fass sie nicht an!«
»Jack! Was ist nur los mit dir?« Gia war wütend, weil Jack so mit Vicky umging. Und die arme Vicky stand nur da und starrte Jack mit zitternder Unterlippe an.
Aber Jack nahm sie beide gar nicht wahr. Er hielt die beiden Orangenhälften an seine Nase, inspizierte sie und schnüffelte an ihnen wie ein Hund. Dabei wurde er immer blasser.
»Oh Gott!«, sagte er und sah aus, als müsse er sich jeden Augenblick übergeben. »Oh mein Gott!«
Als er um den Tisch herumging, zog Gia Vicky aus dem Weg und drückte sie fest an sich. Jacks Augen flackerten. Mit drei Schritten war er an der
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