Handyman Jack 01 - Die Gruft
dunklen Blutes quoll.
Die Mutter erstarrte und erbebte bei jedem Treffer und blieb schließlich schwankend wenige Meter vor ihm stehen. Jack beobachtete sie schockiert. Die Tatsache, dass sie immer noch stand, war ein Beweis für ihre bemerkenswerte Zähigkeit – sie hätte bereits nach dem ersten Treffer zu Boden gehen müssen. Aber Jack war sich sicher, dass sie tot sein musste, auch wenn sie noch auf den Beinen stand. Er kannte die unvergleichliche Wirkung dieser Hohlmantelgeschosse. Der Volumenmangelschock und die inneren Verletzungen, die auch nur eine gut gezielte Kugel bewirkte, hielten einen angreifenden Stier auf. Die Rakoshi-Mutter hatte gerade vier davon abbekommen.
Jack wollte dem ein Ende machen. Er zielte sorgfältig und feuerte ein weiteres Geschoss mitten in die Brust der Mutter.
Sie breitete die Arme aus und stolperte gegen den Pfosten am Treppenende, der unter ihrem Gewicht zusammenbrach. Der Hut und die Perücke rutschten ihr vom Kopf, aber sie verlor nicht das Gleichgewicht. Stattdessen beschrieb sie eine halbe Drehung und stützte sich am Geländer ab. Jack wartete darauf, dass sie endgültig zusammensackte.
Und wartete.
Die Mutter brach nicht zusammen. Sie holte ein paarmal tief Luft, dann richtete sie sich auf und wandte sich ihm zu. Ihre Augen glommen so hell wie immer. Jack starrte sie wie angewurzelt an. Das war unmöglich! Sie war tot! Mindestens fünffach! Er hatte die Löcher in ihrer Brust gesehen, das schwarze Blut! In ihrem Körper konnte es nur noch Hackfleisch geben!
Mit einem lauten, lang gezogenen Zischen stürzte sie sich auf ihn. Es war weniger eine bewusste Handlung als vielmehr ein Reflex, der Jack zur Seite hechten ließ. Wo sollte er hin? Er wollte nicht in seiner Wohnung eingeschlossen sein und der Weg auf die Straße hinunter war ihm versperrt. Sein einziger Ausweg war das Dach.
Als sein Verstand diesen Entschluss fasste, war er bereits auf der Treppe und nahm immer zwei Stufen auf einmal. Die Pistole half ihm nicht. Kolabatis Worte kamen ihm wieder in den Sinn: Eisen und Feuer… Eisen und Feuer… Ohne abzubremsen ließ er die 9 mm fallen und sah sich dabei um. Die Rakoshi-Mutter war ein Stockwerk unter ihm und glitt die Stufen hoch. Die Überreste des Kleides hingen in Fetzen um ihren Hals und von den Armen.
Der Kontrast zwischen ihrem geschmeidigen und fast lautlosen Aufstieg zu seinem polternden Gerenne war fast so entsetzlich wie der mörderische Blick in ihren Augen.
Bis zum Dach waren es von seiner Wohnung drei Stockwerke. Zwei lagen noch vor ihm. Jack beschleunigte bis zum Äußersten und es gelang ihm auch, den Abstand zu der Mutter etwas zu vergrößern. Aber nur kurz. Statt schwächer zu werden, schien die Mutter durch die Anstrengung an Kraft und an Schnelligkeit zu gewinnen. Als Jack die letzten Stufen zum Dach hochstürmte, war sie nur noch wenige Schritte hinter ihm.
Jack hielt sich nicht mit dem Riegel an der Tür auf. Er hatte sowieso nie richtig funktioniert und würde ihn jetzt nur wertvolle Sekunden kosten. Er rammte die Tür mit der Schulter, stolperte hindurch und war auf dem Dach.
Die Skyline von Manhattan ragte um ihr herum auf. Aus seiner sternerfüllten Höhe ätzte der sinkende Mond blasses weißes Licht auf die ihm zugewandten Flächen und tauchte alles andere in tintenschwarze Schatten. Lüftungsschächte, Schornsteine, Antennen, Werkzeugräume, der Garten, der Flaggenmast, der Notfallgenerator – für ihn war das ein vertrauter Hindernisparcours. Vielleicht ließ sich das für ihn in einen Vorteil verwandeln. Es war klar, er konnte der Mutter nicht davonlaufen.
Vielleicht – nur vielleicht – konnte er sie überlisten.
Jack hatte sich seine Strategie während der ersten paar Schritte über das Dach zurechtgelegt. Er schlängelte sich an zwei von den Schornsteinen vorbei, rannte dann quer über eine offene Fläche zur Dachkante, drehte sich um und wartete. Er hatte dafür gesorgt, dass er von der Tür aus leicht zu sehen war. Er wollte nicht, dass die Mutter abbremsen musste, um nach ihm zu suchen.
Es dauerte nur einen Moment, bis sie auftauchte. Sie erblickte ihn augenblicklich und stürmte in seine Richtung, ein mondbeschienener Schatten, der sich für den Todesstoß bereitmachte. Die Fahnenstange von Neil, dem Anarchisten, stand ihr im Weg – sie versetzte ihr im Vorbeilaufen einen beiläufigen Schlag mit dem Unterarm. Der Schaft splitterte, der Mast schwankte kurz und polterte dann auf das Dach. Als Nächstes war ihr der
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