Handyman Jack 01 - Die Gruft
Nur ein Hauch und dann war er wieder verschwunden. Aber irgendwie kam er ihr bekannt vor. Wenn sie ihn noch einmal in die Nase bekam, konnte sie wahrscheinlich sagen, was es war. Sie wartete, aber der Geruch kam nicht wieder.
Gia wandte sich dem Fernseher zu. Dort lief Citizen Kane. Den Film hatte sie seit Jahren nicht mehr gesehen. Sie musste dabei an Jack denken – wie er die ganze Zeit darüber dozieren würde, wie innovativ Welles im ganzen Film Licht und Schatten eingesetzt hatte. Er konnte wirklich eine Plage sein, wenn man nur dasitzen und einen Ulm sehen wollte.
Sie setzte sich und nippte an ihrem Tee.
22
Vicky fuhr im Bett auf. »Mommy?«
Sie zitterte vor Angst. Sie war allein. Und es roch schrecklich, ekelerregend. Sie sah zum Fenster. Da draußen war etwas … vor dem Fenster. Das Fliegengitter war herausgezogen worden. Das hatte sie aufgeweckt.
Eine Hand – oder etwas, das wie eine Hand aussah, aber in Wirklichkeit keine war – glitt über das Fenstersims. Und dann noch eine. Der dunkle Schatten eines Kopfes erhob sich und zwei glühende gelbe Augen nagelten sie auf dem Bett fest, auf dem sie vor Angst erstarrt saß. Das Ding kroch über das Fensterbrett und glitt wie eine Schlange auf sie zu.
Vicky öffnete den Mund, um ihre Panik herauszuschreien, aber etwas Feuchtes, Hartes und Stinkendes legte sich über ihr Gesicht und erstickte den Schrei. Es war eine Hand; aber anders, als Hände sein sollten. Sie hatte nur drei Finger – drei riesige Finger – und der Geschmack der Handfläche, die sich auf ihren Mund presste, ließ in ihr einen Würgereiz aufsteigen.
Als sie versuchte, sich zu wehren, erhaschte sie einen kurzen Blick aus der Nähe auf das, was sie da festhielt – das glatte, spitzmäulige Gesicht, die Reißzähne über der vernarbten Unterlippe, die glühenden Augen. Es war schlimmer als alles, was sich in dunklen Ecken oder unter dem Bett verstecken konnte, schlimmer als alle Albträume zusammengenommen.
Vicky verlor vor Angst fast den Verstand. Tränen der Angst und des Abscheus strömten ihr über das Gesicht. Sie musste weg! Sie trat und wand sich krampfhaft, kratzte mit ihren Fingernägeln – nichts davon schien auch nur das Mindeste zu bewirken. Sie wurde wie eine Puppe hochgehoben und zum Fenster getragen –
und nach draußen. Sie waren im zwölften Stockwerk! Mommy! Sie würden abstürzen.
Aber sie fielen nicht. Mit Hilfe seiner freien Hand und den klauenbewehrten Füßen kletterte das Monster wie eine Spinne an der Wand hinunter. Dann rannten sie zu ebener Erde dahin, durch Parks, durch Gassen und über Straßen. Der Griff über ihrem Mund löste sich, aber Vicky wurde so fest an die Seite dieser Kreatur gedrückt, dass sie nicht schreien konnte – sie konnte kaum atmen.
»Bitte tu mir nichts!«, flüsterte sie in die Nacht. »Bitte tu mir nichts!«
Sie hatte keine Ahnung, wo sie waren oder in welche Richtung sie sich bewegten. Sie konnte kaum denken durch den Nebel der Angst, der sie umgab. Aber nach kurzer Zeit hörte sie das Plätschern von Wasser und roch den Fluss. Das Monster sprang, sie schienen für einen Moment zu fliegen und dann schlug das Wasser über ihnen zusammen. Sie konnte nicht schwimmen!
Vicky schrie auf, als sie untertauchten und schluckte einen Mund voll brackigen Wassers. Sie kam keuchend und würgend wieder an die Oberfläche. Ihre Kehle schien zugeschnürt – um sie herum war überall Luft, aber sie konnte nicht atmen. Schließlich, als sie schon dachte, sie würde jetzt sterben, öffnete sich ihre Luftröhre und Sauerstoff strömte in ihre Lungen.
Sie öffnete die Augen. Das Monster hatte sie auf den Rücken genommen und kraulte durch das Wasser. Sie krallte sich in die glatte, schleimige Haut an der Schulter. Ihr rosa Nachthemd klebte an ihrer mit Gänsehaut überzogenen Haut und das nasse Haar hing ihr in die Augen. Sie war nass, ihr war kalt und sie hatte panische Angst. Sie wollte loslassen und weg von dem Monster, aber sie wusste, sie würde sofort untergehen und nie wieder auftauchen.
Warum passierte ihr das? Sie war ein liebes Mädchen. Warum hatte dieses Monster sie geholt?
Vielleicht war es ein liebes Monster, wie die in dem Buch, das sie hatte: Wo die wilden Kerle wohnen. Es hatte ihr noch nichts getan. Vielleicht wollte es ihr nur etwas zeigen.
Sie sah sich um und erkannte sie Silhouette von Manhattan auf der rechten Seite, aber zwischen ihnen und Manhattan war da noch etwas. Vage erinnerte sie sich an die Insel
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