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Handyman Jack 01 - Die Gruft

Handyman Jack 01 - Die Gruft

Titel: Handyman Jack 01 - Die Gruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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gesehen. Diese Händler würden sogar mit ihrer Mutter über den Preis des Essens feilschen.
    Er konnte sich nur einen Grund vorstellen, warum sie sich so verhielten: Angst.
    Der Priester ging vorbei, ohne an dem Wasserstand anzuhalten.
    »Stimmt etwas mit Ihrem Wasser nicht?«, fragte Westphalen den Händler, der neben ihm auf dem Boden hockte. Er sprach englisch. Er sah keinen Grund, eine indische Sprache zu erlernen, und hatte es auch nie versucht. Es gab vierzehn Hauptsprachen auf diesem gottverlassenen Subkontinent und über 250 verschiedene Dialekte. Absurd. Die paar Begriffe, die er aufgeschnappt hatte, hatte er eher beiläufig als durch bewusstes Bemühen behalten. Schließlich war es die Aufgabe der Eingeborenen, ihn zu verstehen. Und die meisten taten das auch, vor allem die Händler.
    »Der Tempel hat sein eigenes Wasser«, sagte der Mann ohne aufzusehen.
    »Und welcher Tempel ist das?«
    Westphalen wollte wissen, welchen Druck der Mönch ausübte, um die Händler so gefügig zu machen. Es war eine Information, die sich noch als nützlich erweisen konnte.
    »Der Tempel-in-den-Bergen.«
    »Ich wusste gar nicht, dass es da noch einen Tempel gibt.«
    Diesmal hob der Wasserhändler den Kopf und starrte ihn an. In den dunklen Augen spiegelte sich Unglauben, so als wolle er sagen: Wie kann man das nicht wissen?
    »Und welcher eurer heidnischen Götter wird in diesem Tempel angebetet?« Seine Worte schienen von der umgebenden Stille zurückzuhallen.
    Der Wasserhändler flüsterte: »Kali, die schwarze Göttin.«
    Ach ja. Er hatte den Namen schon gehört. Es hieß, sie sei in Bengalen besonders beliebt. Diese Inder hatten mehr Götter, als sie wahrscheinlich selbst zählen konnten. Dieser Hinduismus war sowieso eine merkwürdige Religion. Man hatte ihm gesagt, es gäbe kein oder so gut wie kein Glaubensbekenntnis, keinen Religionsstifter und keinen religiösen Führer. Was sollte das für eine Religion sein?
    »Ich dachte, ihr Haupttempel sei in der Nähe von Kalkutta, in Dakshinesvar.«
    »Es gibt viele Kali geweihte Tempel«, sagte der Wasserhändler. »Aber keinen wie den Tempel-in-den-Bergen.«
    »Tatsächlich? Und was ist an dem so besonders?«
    »Rakoshi.«
    »Was ist das?«
    Aber der Wasserhändler senkte den Kopf und weigerte sich, weiterzureden. Fast als sei er der Meinung, er habe bereits zu viel gesagt.
    Noch vor sechs Wochen hätte Westphalen eine solche Insubordination nicht geduldet. Aber vor sechs Wochen war eine Rebellion der Sepoys auch noch undenkbar gewesen.
    Er nahm noch einen Schluck Wasser, warf dem schweigenden Händler eine Münze in den Schoß und trat hinaus in die ganze Erbarmungslosigkeit der Sonne. Die Luft in Freien war wie der Hitzeschwall aus einem brennenden Haus. Er spürte, wie der Staub, der fortwährend über der Straße waberte, sich mit den Schweißtropfen auf seinem Gesicht mischte und zu einer feinen Maske aus salzigem Schlamm verschmolz.
    Er folgte dem Svamin über den Rest des Marktes und sah zu, wie die erwählten Händler ihm die besten ihrer Waren schenkten, ohne ein Murren oder eine Klage, so als seien sie froh, dies tun zu dürfen. Westphalen folgte ihm durch den größten Teil von Bharangpur, durch die weitesten Tore und die schmälsten Gassen. Überall, wo sich der Mönch und sein Maultierzug näherten, verschwanden die Leute bei seinem Kommen und kehrten zurück, sobald er gegangen war.
    Als die Sonne sich dem Horizont entgegenneigte, kam der Mönch zum Nordtor.
    Jetzt haben wir ihn, dachte Westphalen.
    Alle Lasttiere mussten auf Schmuggelware kontrolliert werden, bevor sie Bharangpur oder irgendeine andere befestigte Stadt verlassen durften. Dass in ganz Bengalen keine Rebellenaktivitäten gemeldet waren, spielte dabei keine Rolle; der Befehl galt für den ganzen Subkontinent und musste befolgt werden.
    Westphalen sah aus einer Entfernung von ungefähr zweihundert Metern zu. Er würde warten, bis der einsame britische Wachtposten mit seiner Durchsuchung begonnen hatte, dann würde er wie bei einer Routinepatrouille vorbeikommen und etwas mehr über diesen Svamin und den Tempel-in-den-Bergen in Erfahrung bringen.
    Er sah, wie der Mönch am Tor anhielt und mit einem Wachtposten sprach, der seine Enfield nachlässig auf dem Rücken trug. Sie schienen alte Freunde. Kurze Zeit später passierte der Mönch ohne Durchsuchung und Aufenthalt das Tor – aber Westphalen sah, dass er dem Wachtposten etwas in die Hand gedrückt hatte. Es geschah in einem Sekundenbruchteil.

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