Handyman Jack 01 - Die Gruft
Mann.
»Woher wussten Sie, dass ich Bier trinke?« Ihm war die Selbstverständlichkeit, mit der sie das erkannt hatte, unheimlich.
»Ich habe glücklich geraten. Ich war mir nur sicher, dass Kir nichts für Sie ist.« Sie sah ihn aufmerksam an. »Sie sind also der Mann, der die Halskette wiederbeschafft hat. Es war eine eigentlich unmögliche Aufgabe, aber es ist ihnen gelungen. Ich schulde Ihnen meinen immerwährenden Dank.«
»Es war nur eine Halskette.«
»Eine äußerst wichtige Halskette.«
»Meinetwegen. Aber es ist ja nicht so, als hätte ich ihr Leben gerettet oder so etwas.«
»Vielleicht haben sie das doch. Vielleicht hat sie dadurch, dass sie die Kette zurückbekommen hat, ihren Lebenswillen wiedergefunden. Sie war ihr sehr wichtig. Unsere ganze Familie trägt diese Ketten – wir alle. Wir legen sie nie ab.«
»Nie?«
»Nie.«
Merkwürdige Leute, diese Bahktis.
Das Bier kam. Es wurde von dem Manager persönlich gebracht, der ihm einschenkte, einen Moment wartete und sich dann mit offensichtlichem Widerwillen entfernte.
»Ich hoffe, Ihnen ist klar«, sagte Kolabati, während Jack einen Schluck von seinem Bier nahm, »dass Sie sich in den letzten vierundzwanzig Stunden zwei Freunde fürs Leben gemacht haben: meinen Bruder und mich.«
»Was ist mit Ihrer Großmutter?«
Sie blinzelte. »Die natürlich auch. Sie sollten unseren Dank nicht gering schätzen, Jack. Meinen nicht und ganz bestimmt nicht den meines Bruders – Kusum vergisst nie, weder Gefälligkeiten noch Kränkungen.«
»Was tut Ihr Bruder eigentlich bei den Vereinten Nationen?« Das war nur Small Talk. Eigentlich wollte Jack alles über Kolabati erfahren, aber er wollte nicht mit der Tür ins Haus fallen.
»Ich weiß es nicht genau. Irgendeine unbedeutende Aufgabe.« Ihr musste Jacks verwirrtes Stirnrunzeln aufgefallen sein. »Ja, ich weiß – er wirkt nicht wie jemand, der sich mit einem unbedeutenden Posten zufriedengeben würde. Das ist er auch nicht. Bei uns zu Hause ist er landesweit bekannt.«
»Warum?«
»Er ist der Führer einer neuen fundamentalistischen Hindubewegung. Er und viele andere glauben, Indien und der Hinduismus haben sich vom Westen verführen lassen. Er will zurück zu den alten Traditionen. Im Laufe der Jahre hat er erstaunlich viele Anhänger um sich gescharrt und beträchtlichen politischen Einfluss gewonnen.«
»Das klingt wie unsere religiösen Fundamentalisten hier. Dann ist er so etwas wie der Jerry Falwell von Indien?«
Kolabatis Miene verdüsterte sich. »Vielleicht sogar mehr. Manchmal ist die Radikalität seiner Überzeugungen erschreckend. Manche halten ihn für den Ayatollah Khomeini von Indien. Deswegen waren alle völlig überrascht, als er sich letztes Jahr um einen Diplomatenposten in der Botschaft in London beworben hat. Er bekam die Stelle sofort – die Regierung war wahrscheinlich heilfroh, ihn außer Landes zu wissen. Und vor Kurzem ist er – wieder auf seine Bitte hin – hierher zu den Vereinten Nationen versetzt worden. Ich bin sicher, seine Anhänger und Gegner zu Hause zerbrechen sich die Köpfe darüber, was er bezweckt, aber ich kenne meinen Bruder. Ich wette, er verschafft sich jetzt internationale Erfahrung, um dann nach Hause zurückzukehren und sich für ein hohes politisches Amt zu bewerben. Aber genug von Kusum …«
Jack spürte Kolabatis Hand auf seiner Brust, die ihn in die Kissen zurückdrückte.
»Machen Sie es sich bequem«, sagte sie und ihre dunklen Augen bohrten sich in die seinen, »und erzählen Sie mir alles über sich. Ich will alles wissen, vor allem, wie sie zu Handyman Jack geworden sind.«
Jack nahm einen weiteren Schluck Bier, in erster Linie, um Zeit zu schinden. Er verspürte den plötzlichen Drang, ihr tatsächlich alles zu erzählen, ihr seine ganze Vergangenheit zu offenbaren. Das ängstigte ihn. Außer Abe hatte er nie jemandem davon erzählt. Warum Kolabati? Vielleicht, weil sie bereits etwas über ihn wusste; vielleicht, weil sie ihm so überschwänglich dankbar dafür war, dass er das Unmögliche möglich gemacht und ihrer Großmutter ihre Halskette wiederbeschafft hatte. Ihr alles zu erzählen stand selbstverständlich nicht zur Debatte, aber ein paar Teile der Wahrheit konnten nicht schaden. Die Frage war nur: Was konnte er erzählen, was ließ er besser weg?
»Das ist einfach so passiert.«
»Es muss ein erstes Mal gegeben haben. Fangen Sie da an. Erzählen Sie mir davon.«
Er lehnte sich in die Kissen zurück und setzte sich so, dass
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