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Handyman Jack 01 - Die Gruft

Handyman Jack 01 - Die Gruft

Titel: Handyman Jack 01 - Die Gruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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hinüber, dann wandte sie sich an Vicky.
    »Noch nicht, Victoria, aber ich bin sicher, es kommt bald eins. Aber er hat geschrieben, bis dahin sollen wir uns alle diese Pralinen teilen, und …« Nellie fuhr sich mit der Hand an den Mund, als ihr klar wurde, was sie gerade gesagt hatte.
    »Oh nein«, sagte Vicky. »Mein Daddy würde mir nie Pralinen schicken. Er weiß, dass ich die nicht essen kann.«
    Mit durchgedrückten Rücken und hochgerechtem Kinn drehte sie sich um und marschierte eilig in den Garten hinaus.
    Nellie war den Tränen nahe, als sie sich an Gia wandte. »Ich habe vergessen, dass sie gegen Schokolade allergisch ist. Ich werde zu ihr gehen und…«
    »Lass mich das machen.« Gia legte ihr die Hand auf die Schulter. »Wir hatten das Problem schon öfter und wie es scheint, müssen wir noch einmal darüber reden.«
    Sie ließ Nellie im Flur zurück. Die alte Dame sah plötzlich älter aus, als sie es tatsächlich war, und hatte die Pralinenschachtel in ihren altersfleckigen Händen völlig vergessen. Gia wusste nicht, wer ihr mehr leid tat: Vicky oder Nellie.
     
    2
     
    Tante Nellie sagte immer, was für ein großes Mädchen sie schon sei, und Vicky wollte nicht vor ihr in Tränen ausbrechen. Mommy sagte, es wäre in Ordnung, wenn man weinte, aber Vicky sah Mommy nie weinen. Fast nie.
    Vicky war jetzt nach Weinen zumute. Es spielte keine Rolle, ob das jetzt in Ordnung war oder nicht, die Tränen würden doch fließen. Es war wie ein großer Ballon in ihrer Brust, der größer und größer wurde, bis sie entweder zu weinen begann oder platzte. Sie hielt sich zurück, bis sie ihr Holzhaus erreichte. Das hatte eine Tür, zwei Fenster mit neuen Vorhängen und genügend Platz, dass sie die Arme ausstrecken und sich um die eigene Achse drehen konnte, ohne die Wände zu berühren. Sie griff nach Mrs. Jelliroll und drückte sie sich gegen die Brust. Dann ging es los.
    Zuerst kamen die Schluchzer, wie starker Schluckauf, und dann die Tränen. Ihre Jacke hatte keinen Ärmel, daher versuchte sie, sie mit dem bloßen Arm wegzuwischen, aber dadurch wurden nur das Gesicht und der Arm nass und schmierig.
    Du bist Daddy egal. Dieser Gedanke tat sehr weh, aber sie wusste, dass es stimmte. Ihr war nicht klar, warum ihr das so viel bedeutete. Sie konnte sich kaum daran erinnern, wie er aussah. Mommy hatte all seine Fotos vor langer Zeit weggeworfen, und als die Zeit verging, wurde es immer schwieriger, sich sein Gesicht vorzustellen. Seit zwei Jahren hatte er sie nicht einmal besucht, und auch vorher war er nur selten da gewesen. Warum tat es dann so weh zu sagen, dass sie Daddy egal war? Mommy war die Einzige, die wichtig war, die sich um sie kümmerte, die immer da war.
    Mommy war sie nicht egal. Und Jack nicht. Aber jetzt kam Jack auch nicht mehr. Außer gestern. Bei dem Gedanken an Jack hörte sie auf zu weinen. Als er sie gestern hochgehoben und umarmt hatte, hatte sie sich so gut gefühlt. Warm. Und geborgen. Für die kurze Zeit, die er gestern im Haus gewesen war, hatte sie keine Angst gehabt. Vicky wusste nicht, wovor sie sich fürchten musste, aber in der letzten Zeit hatte sie immer Angst. Vor allem nachts.
    Sie hörte, wie sich die Tür hinter ihr öffnete, und wusste, es war Mommy. Das war in Ordnung. Sie hatte aufgehört zu weinen. Es ging ihr jetzt wieder gut. Aber als sie sich umdrehte und den traurigen, mitleidigen Blick von Mommy sah, da kam es alles wieder, und sie brach in Tränen aus. Mommy quetschte sich in den kleinen Schaukelstuhl und setzte sie auf ihr Knie und hielt sie fest, bis die Schluchzer verebbten. Und diesmal auch nicht wiederkamen.
     
    3
     
    »Warum mag uns Daddy nicht mehr?«
    Die Frage überraschte Gia. Vicky hatte sie unzählige Male gefragt, warum ihr Vater nicht mehr bei ihnen lebte. Aber jetzt sprach sie zum ersten Mal von Gefühlen.
    Am besten kontert man eine Frage mit einer Frage: »Wie kommst du darauf?«
    Aber Vicky ließ sich nicht beirren.
    »Er mag uns nicht, nicht wahr, Mommy?« Es war keine Frage.
    Nein, tut er nicht. Ich glaube nicht, dass er das je getan hat.
    Es war die Wahrheit. Richard war nie ein Vater gewesen. Soweit es ihn betraf, war Vicky ein Unfall, eine Belastung für ihn. Er hatte ihr nie seine Zuneigung gezeigt, war nie für sie da gewesen, als sie noch zusammenlebten. Er hätte seine Vaterpflichten genauso gut am Telefon erledigen können.
    Gia seufzte und hielt Vicky fester im Arm. Das war eine furchtbare Zeit gewesen… die schlimmsten Jahre ihres

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