Handyman Jack 01 - Die Gruft
nichts erkennen. Er drehte sich in Kolabatis Umklammerung um.
»Was war da draußen?«
Ihr Gesichtsausdruck war hinreißend unschuldig: »Du hast es ja selbst gesehen: nichts.«
Sie ließ ihn los und ging ins Wohnzimmer zurück, völlig unbekümmert über ihre Nacktheit. Jack betrachtete das Wiegen ihrer Hüften, die sich gegen das Licht abhoben, als sie davonstolzierte. Irgendetwas war hier gerade passiert und Kolabati wusste, was das war. Aber Jack hatte nicht die geringste Ahnung, wie er sie dazu bringen sollte, es ihm zu erklären. Zuerst war es ihm nicht gelungen, etwas über dieses Mittel von Grace herauszufinden –und jetzt das.
»Warum hattest du solche Angst?«, fragte er, als er ihr folgte.
»Ich hatte keine Angst.« Sie schlüpfte in ihre Unterwäsche.
Er ahmte sie nach: »Wenn dir dein Leben auch nur das Geringste bedeutet‹ und all das andere Zeug, was du gesagt hast. Du hattest Angst. Wovor?«
»Jack, ich mag dich wirklich.« Es gelang ihr nicht ganz, den heiteren Tonfall in ihre Stimme zu legen, den sie zweifellos intendiert hatte. »Aber manchmal bist du so dumm. Es war nur ein Spiel.«
Jack sah, dass es sinnlos war, weiter in sie zu dringen. Sie hatte nicht vor, ihm irgendetwas zu verraten. Er sah zu, wie sie sich ankleidete – es dauerte nicht lange, sie hatte nicht viel getragen. Es war wie ein Dejà-vu. War das nicht gestern Abend auch passiert?
»Du gehst?«
»Ja, ich muss …«
»… deinen Bruder treffen?«
Sie sah ihn an. »Woher weißt du?«
»Nur geraten.«
Kolabati kam zu ihm und legte ihm die Arme um den Hals. »Es tut mir leid, dass ich wieder so weglaufe.« Sie küsste ihn. »Können wir uns morgen sehen?«
»Ich werde nicht in der Stadt sein.«
»Dann Montag.«
Er widerstand der Versuchung, Ja zu sagen.
»Ich weiß nicht. Ich stehe nicht sonderlich auf deine Spielchen: Wir kommen hierher, wir lieben uns, es fängt an zu stinken, du gerätst in Panik, klammerst dich an mich wie eine Furie, der Gestank verschwindet und du gehst.«
Kolabati küsste ihn erneut und Jack bemerkte, wie er unwillkürlich darauf reagierte. Diese Inderin wusste, wie sie ihn zu nehmen hatte. »Es wird nicht wieder passieren. Das verspreche ich.«
»Wie kannst du dir da so sicher sein?«
»Ich bin es einfach«, sagte sie mit einem Lächeln.
Jack ließ sie hinaus, dann verriegelte er die Tür hinter ihr. Nackt, wie er war, ging er zum Fenster in seinem Fernsehzimmer und sah in die Dunkelheit hinaus. Die Strandszene auf der gegenüberliegenden Hauswand war kaum zu sehen. Nichts bewegte sich, nirgendwo waren glühende Augen. Er war nicht verrückt und er nahm keine Drogen. Ein Wesen – nein, zwei Wesen – waren da draußen gewesen. Zwei Augenpaare hatten in seine Wohnung hineingestarrt. Etwas an diesen Augen kam ihm bekannt vor, aber er kam einfach nicht darauf, was das war.
Er grübelte nicht weiter darüber nach. Zu gegebener Zeit würde es ihm schon einfallen.
Sein Blick fiel auf das Fensterbrett, wo sich drei lange weiße Kratzer in den Beton gegraben hatten. Er war sicher, sie waren früher nicht da gewesen. Er war verwirrt und nervös, wütend und frustriert, aber was konnte er tun? Sie war gegangen.
Er ging zurück ins Wohnzimmer und holte sich ein Bier. Auf dem Weg warf er einen Blick auf das Fach in dem großen Eichenschrank, wo er das Medizinfläschchen abgestellt hatte, nachdem er den Schluck genommen hatte.
Es war verschwunden.
14
Kolabati eilte Central Park West entgegen. Dies war eine Wohngegend mit Bäumen und Autos, die beide Seiten der Straße säumten. Bei Tageslicht war dies eine nette Gegend, aber bei Nacht gab es zu viele dunkle Ecken, zu viele Stellen, wo man sich verstecken konnte. Sie hatte keine Angst vor den Rakoshi – nicht solange sie ihre Halskette trug. Sie fürchtete die Menschen. Und sie hatte allen Grund dazu: Man musste sich nur ansehen, was Mittwochnacht passiert war, nur weil ein Krimineller gedacht hatte, eine Kette aus Eisen und Topas könne wertvoll sein.
Sie entspannte sich, als sie Central Park West erreichte. Trotz der späten Stunde herrschte hier noch reger Verkehr und im Natriumlicht der Lampen hoch über den Straßen schien die Luft förmlich zu glühen. Leere Taxis fuhren an ihr vorüber. Sie ließ sie weiterfahren. Sie hatte noch etwas zu erledigen, bevor sie eines anhielt.
Kolabati ging am Rinnstein entlang, bis sie zu einem Gully kam. Sie griff in ihre Handtasche und brachte das Fläschchen mit dem Rakoshi-Elixier zum
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