Handyman Jack 02 - Der Spezialist
auf den Fußboden und verband ihn mit der nächsten Steckdose.
»Warum tun Sie das für mich?« wollte sie wissen.
»Warum soll ich das nicht tun? Ich hatte schon vermutet, daß Sie irgend etwas Schlimmes mit sich herumschleppen. Ich hatte nicht geahnt, wie schlimm es ist.«
Sie senkte den Blick. »Ich schäme mich so.«
»Für was?«
»Wie können Sie das fragen?« verlangte sie zu wissen und hörte, wie ihre Stimme lauter wurde. Sie wollte nicht die Kontrolle verlieren, nicht hier, nicht jetzt. »Sie haben doch alles gesehen! Mein Gott, was müssen Sie von mir denken.«
»Ich denke nicht, daß man Ihnen die Schuld geben kann, falls Sie das meinen. Nicht mehr, als man ein mißhandeltes Kind für seine Blessuren verantwortlich machen kann. Man nennt das Kinderpornos – was für eine nette, harmlose Bezeichnung. Anstatt es als das zu bezeichnen, was es ist: Bilder von sexuell mißbrauchten Kindern.«
Er nahm einen der Umschläge und hielt ihn ihr einladend hin.
»Nur zu«, sagte er. »Es wird Zeit, daß Sie dieses Kapitel Ihrer Vergangenheit abschließen.«
Sie zwang sich dazu, die Hand auszustrecken. Auf halbem Weg zum Umschlag verharrte sie, als wäre sie gegen eine unsichtbare Wand gestoßen. Sie durchdrang diese Wand und gab ihren Fingern den Befehl, den Umschlag zu ergreifen und von Jack anzunehmen.
Er schaltete den Aktenvernichter ein und trat zurück. Sie hörte, wie die Messer unter dem Eingabeschlitz zu surren begannen.
Sie schaffte es, den Umschlag festzuhalten, doch als sie hineingreifen wollte …
»Sie schaffen es«, sagte er.
»Auf diese Weise läßt sich gar nichts lösen«, erklärte sie. »Es muß davon Hunderte von Kopien in allen möglichen Sammlungen überall im Land geben. Dieser Mann hat sie gegen Bilder von anderen Kindern getauscht.«
»Aber diese hier sind anschließend schon mal weg. Niemand wird sie mehr betrachten können. Und wenn die Negative vernichtet sind, wird niemand mehr neue Kopien anfertigen können. Vielleicht ist es eher ein symbolischer Akt, aber, Alicia, es ist zumindest ein Anfang.«
Alicia schaute Jack an, und sie spürte, wie ihr die Tränen kamen. Wie hatte sie diesen Mann nur so gründlich falsch einschätzen können?
Ja, dachte sie, es ist wirklich ein Anfang.
Sie erkannte, daß sie zum erstenmal in ihrem Leben die Kontrolle innehatte – die Macht – über eine ganze Serie von diesen Bildern. Und auch über die Negative. Wie könnte sie etwas anderes tun, als sie zu vernichten?
Sie griff in den Umschlag und holte drei oder vier Fotos heraus, postkartengroße bunte Bilder – nein, sie würde sie nicht anschauen – und schob sie in den Reißwolf. Ein Surren und Knirschen ertönte, und dann schwebten dünne Streifen zu Boden und rollten sich zusammen wie frische Spaghetti.
Ja, es funktionierte. Die Bilder waren vernichtet, nichts war mehr zu erkennen. Nur ein völlig Verrückter würde versuchen, sie wieder zusammenzusetzen, und je mehr von den Streifen sie dem Gewirr hinzufügte, desto schwieriger würde es. Man würde hundert, nein, tausend Jahre brauchen, um nur ein einziges Bild wieder vollständig zusammenzufügen.
Während sie spürte, daß dies für sie ein bedeutsamer Wendepunkt war, griff Alicia erneut in den Umschlag und holte weitere Fotos heraus, um sie in den Schlund des Aktenvernichters zu stopfen. Sie spürte, wie ihr die Tränen übers Gesicht rannen, und hörte sich selbst lachen.
Sie fühlte sich gut – so gut!
12
SSSSSST!
Eine Frau, die weinte, war schon schlimm genug und schaffte es immer, Jack aus dem Konzept zu bringen. Was tut man mit ihr? Was sagt man zu ihr? Aber eine Frau, die lacht und weint, während sie einen Reißwolf füttert …
Geradezu gespenstisch.
Aber die Tränen und das Lachen ließen bald nach, und dann begann sie darüber zu reden, und das war noch schlimmer, denn das weckte in ihm den Wunsch, daß Ronald Clayton noch am Leben wäre … damit er ihn töten könnte … und zwar langsam und qualvoll.
»Ich habe es für meinen Daddy getan«, erzählte sie. »So ist es passiert. Ich spürte irgendwie, daß es nicht in Ordnung war, daß es etwas Schlimmes war, vor allem wenn es wehtat, aber mein Daddy wollte, daß ich es tat, und ich hatte kaum eine andere Wahl. Und schließlich war er ja mein Daddy, der Mann, der für mich sorgte. Er würde doch niemals von mir verlangen, daß ich etwas Schlechtes tat. Nicht mein Daddy.«
Ihre Stimme klang leise, ausdruckslos, als hätte sie sämtliche emotionalen
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