Handyman Jack 02 - Der Spezialist
Stipendium verhalf. Nun, niemand war daran interessiert, mich entsprechend zu unterstützen, also mußte ich alles selbst tun. Und es klappte. Ich erhielt ein Stipendium für die USC. Dadurch konnte ich endlich aus diesem Haus ausziehen. Ich ging im August zu Beginn meines ersten Studienjahres weg und bin nie mehr zurückgekommen. Gestern abend habe ich die Schwelle zum erstenmal seit damals wieder überschritten.«
BSSSSSST!
»Im College hatte ich einen Job, während ich lernte wie verrückt. Ich fand im Sommer Arbeit in den Ferienorten, wo mir zu den jeweiligen Jobs gleichzeitig Kost und Logis angeboten wurde. Ich schrieb mich an der medizinischen Fakultät ein. Ein vollständiges Stipendium für ein Medizinstudium ist so gut wie unmöglich, aber es gibt Leute, die leihen angehenden Ärzten die Studiengebühren. Also lieh ich mir das nötige Geld zusammen, um die Kosten finanzieren zu können, und ich werde wahrscheinlich noch für die nächsten zehn Jahre meine Schulden abbezahlen müssen. Aber ich habe es geschafft. Ich habe es hinter mich gebracht. Und was mich die ganze Zeit aufrecht gehalten hat, war mein fester Wille, nicht zuzulassen, daß ich mich wie ein Opfer fühle. Es heißt, daß ein gutes ausgefülltes Leben in solchen Fällen die beste Revanche ist. Nun, ich lebe vielleicht nicht sehr gut, aber ich schaffe es. Und zwar ganz allein und aus eigener Kraft. Ich bin mein eigener Herr. Das ist meine Rache. Ich weigerte mich ganz einfach, sein Opfer zu sein. Er hatte Macht über mich, aber die wird er nie wieder haben.«
BSSSSSST!
»Aber das sollte nicht meine ganze Rache sein. Im Laufe der Jahre dachte ich über den Tod meiner Mutter nach … und fragte mich, ob es wirklich nur ein Unfall gewesen war. Ich meine, ich weiß nicht, ob er Geld von ihr geerbt oder eine hohe Lebensversicherung auf sie abgeschlossen hatte oder wie es sonst mit seinen Finanzen stand. Ich weiß nur, daß er seinen Perversionen auf keinen Fall hatte frönen können, solange meine Mutter gelebt hat. Aber nachdem sie gestorben war, konnte er mit Thomas und mir ungehindert tun, was er wollte. Also hatte ich die Rachephantasie, daß ich irgendwelche Beweise für Ungesetzlichkeiten fände und ihn ins Gefängnis brächte, wo er selbst keine Macht mehr hätte, sondern wo alle anderen Macht über ihn haben würden. Aber das ist jetzt natürlich unmöglich.«
BSSSSSST!
Jack wollte die Antwort gar nicht wissen, aber er mußte trotzdem fragen.
»Hat er Sie … jemals angerührt?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Gott sei Dank – als ob Gott irgend etwas damit zu tun gehabt hätte – nein … er schaute nur gerne zu, und unsere Bilder waren das Zahlungsmittel, das er einsetzen konnte, um sich weitere Bilder zu beschaffen.«
BSSSSSST!
Sie schaute hoch. »Haben Sie noch mehr?«
Jack schüttelte den Kopf. »Nein.« Er deutete auf den großen Haufen dünner Papierstreifen, der vor ihren Füßen und vor dem Reißwolf entstanden war. »Sie haben alle gekriegt.«
»Nein«, sagte sie. »Nicht alle. Aber auch nicht annähernd alle.«
»Es ist ein Anfang«, sagte Jack.
Sämtliche Energie schien aus ihr herauszufließen. Sie sank vor seinen Augen regelrecht in sich zusammen.
»Thomas besitzt eine Serie«, sagte sie leise. »Er hat das, was er die Meister-Kollektion nennt.«
»Was ist das denn?«
»So nennt er die persönliche Sammlung des Mannes von – wie haben Sie sie genannt?«
»Von Bildern sexuell mißbrauchter Kinder. Weshalb hat er die denn in seinem Besitz?«
»Um mich zu erpressen, glaube ich. Aber ich denke, daß er blufft. Er ist selbst auf so vielen dieser Bilder zu sehen … wenn er mich bloßstellt, würde er auch sich selbst schaden. Er ist ziemlich tief gesunken, aber so tief nun doch nicht.«
»Noch nicht«, sagte Jack. Er hatte eine Idee. »Wissen Sie, wo er wohnt?«
Sie nickte. »Nicht weit von hier. Weshalb?«
»Ich habe ein paar Fragen, die ich Ihrem Halbbruder gerne stellen würde. Wollen Sie mitkommen? Schaffen Sie es, ihm gegenüberzutreten?«
Sie zögerte, dann meinte sie: »Ja. Ich ertrage es. Mehr noch, ich will es sogar. Nehmen wir den Aktenvernichter mit?«
»Nein. Er ist zu sperrig. Aber ich bin sicher, uns fallen andere Wege ein, wie wir zum gleichen Ergebnis gelangen.«
Alicia erhob sich und griff nach ihrem Mantel. Sie schien tatsächlich zu allem entschlossen zu sein.
»Dann sollten wir uns schnellstens auf den Weg machen.«
13
Sie warteten im verdunkelten, stickigen, leicht nach Fäulnis
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