Handyman Jack 05 - Todesfrequenz
denke, es war ein Verbrechen. Ein harmloses Vergehen hätte sie nicht dazu gebracht, sich zu verstecken. Also werden Sie entweder wegen eines Verbrechens gesucht, oder Sie haben die Kaution sausen lassen – oder sind aus dem Knast ausgebrochen.«
»Sie haben sich alles bestens ausgedacht, nicht wahr?«
Sandy zuckte die Achseln. »Was sollte es sonst sein?«
»Ich hätte mir denken können, dass ich Sie nicht hinters Licht führen kann.« Der Erlöser schüttelte den Kopf und senkte den Blick. »Dass ich eine Waise war, trifft zu, aber die Geschichte von dem Cop, der mir die Wahl ließ, entweder zur Army oder ins Gefängnis zu gehen, habe ich erfunden.
Ich habe mein ganzes Leben lang immer wieder in Schwierigkeiten gesteckt. Ich wurde erwischt, als ich einen Schnapsladen ausgeraubt habe.«
»Einen Schnapsladen …« Sandy hatte Angst, die nächste Frage zu stellen. »Es wurde doch niemand erschossen, oder?«
»Nee. Ich habe nur mit einer Schreckschusspistole herumgefuchtelt. Aber das war nebensächlich. Ich wurde des bewaffneten Raubes beschuldigt. Konnte den Klagevorwurf nicht mildern. Ich war damals erst neunzehn. Das wollte ich nicht durchmachen, daher habe ich auf die Kaution verzichtet und bin seitdem auf der Flucht.«
»Werden Sie noch wegen irgendetwas anderem gesucht?«
Der Erlöser antwortete nicht sofort. Er blickte wieder an Sandy vorbei. Schließlich schürzte er die Lippen und sagte: »Scheiße. Gehen Sie zurück.«
»Was?«
Er stieß ihn gegen die gewölbte Wand der Unterführung.
»Zurück!«
Sandy wandte sich um und sah einen Burschen etwa in seinem Alter, bekleidet mit einer abgeschnittenen Jeans und einem T-Shirt, im Gesicht den kümmerlichen Versuch eines Bartes, auf einem klapprigen Fahrrad mit vollem Tempo den Abhang zur Unterführung herunterrasen. Er hatte eine graue Handtasche in der Hand und blickte immer wieder über die Schulter.
Seine Augen weiteten sich, als er in die Unterführung einfuhr und sah, dass sie besetzt war, doch der Erlöser winkte ihm freundlich zu und fragte: »Na, wie geht’s?«
»Nicht schlecht«, keuchte der junge Mann.
Dann geschahen mehrere Dinge in schneller Folge, zu schnell für Sandy, um sie vollständig zu verarbeiten. Plötzlich wurde der Erlöser tätig, machte einen schnellen Schritt vorwärts und trat gegen das Hinterrad des Fahrrads. Der Fahrer verlor die Kontrolle, krachte gegen einen Randstein und segelte über die Lenkstange. Sandy verfolgte geschockt, wie der Erlöser dem Mann folgte, während er bäuchlings auf dem Asphalt landete, dann absprang und den Oberkörper des Radfahrers mit beiden Füßen auf dem Boden festnagelte. Das gedämpfte Knacken brechender Knochen und der darauf folgende Schmerzensschrei des Mannes drehten Sandy fast den Magen um.
Verdammt, dachte er.
»Das dahinten war meine Mutter!«, brüllte der Erlöser. Er kauerte neben dem zuckenden Mann, der aufzustehen versuchte, aber offensichtlich die Arme nicht mehr gebrauchen konnte. »Du hast gerade meine Mutter beklaut!«
»O Scheiße!«, krächzte der Bursche mit pfeifender Stimme.
»Meine
Mutter!«,
brüllte der Erlöser mit gerötetem Gesicht.
»Das wusste ich nicht, Mann!«, stöhnte der Radfahrer, jede Silbe ein einziger Schmerzenslaut. »Das wollte ich nicht!«
Der Erlöser wandte sich an Sandy. In seinen Augen loderte nackte Wut. »Jetzt sind Sie an der Reihe, den Helden zu spielen«, sagte er und deutete auf die graue Handtasche neben dem Mann. »Bringen Sie das der alten Dame zurück, die er oben auf dem Weg umgestoßen hat. Sagen Sie ihr, Sie hätten die Tasche hier unten im Gras gefunden.«
Sandy konnte den Erlöser nur sprachlos anstarren.
»Kommen Sie schon, Palmer! Bewegen Sie sich! Ich treffe Sie drüben bei den Basketballplätzen.« Er beugte sich wieder über den gestürzten Radfahrer und brüllte: »Meine
Mutter!
«
»Ich weiß, Mann«, stöhnte der Handtaschendieb. »Tut mir Leid… wirklich.«
Jack warf Sandy noch einen letzten Blick zu, dann spazierte er zum entgegengesetzten Ende der Unterführung und ließ Sandy mit dem Fremden alleine. Vorsichtig näherte er sich dem Gestürzten, hob die Handtasche auf und beeilte sich dann, ins Sonnenlicht und den Park zurückzukehren.
Die Mutter des Erlösers? War sie im Park? War das ihre Handtasche?
Er entdeckte ein Gruppe von Menschen am oberen Rand des Abhangs und trabte zu ihnen hin. Eine alte Frau saß auf einer Bank in der Mitte der Menschengruppe. Sie weinte. Ihre Knie und Hände waren
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