Handyman Jack 07 - Todessumpf
Lichtern losgeht. Ich habe mit den Leuten ausgemacht, dass sie ihre Arbeiten noch vor diesem Wochenende abschließen. Und die Lichterscheinungen fangen Freitagnacht an. Ich habe ihnen erklärt, Freitag sei der absolut letzte Termin, danach laufe nichts mehr. Sie wollten mich mit einem besseren Angebot locken, aber darauf bin ich nicht eingegangen. Am Freitagabend, sobald die Sonne untergeht, sind sie verschwunden.«
»Trotzdem passt mir das Ganze nicht. Dies ist unser Zuhause. Hier wurden wir geboren.«
»Ich weiß, Luke«, sagte sie, rieb seinen Rücken und spürte die scharfen Spitzen seiner Flossen durch den Stoff. »Aber überleg doch mal. Die Öffnung des Schlundlochs befindet sich zum ersten Mal, solange man sich erinnern kann, über der Wasseroberfläche. Vielleicht sogar überhaupt zum ersten Mal. Wenn die Lichter erscheinen, brauchen sie diesmal nicht durchs Wasser zu leuchten. Sie leuchten direkt in die Nacht. Das hat es noch nie gegeben, zumindest kann sich niemand daran erinnern.«
»Auch das finde ich nicht so toll.« Er wischte sich mit der Hand übers Gesicht. »Mein Daddy sagte, es wären diese Lichter gewesen, die uns zu dem gemacht haben, was wir sind, die uns so schlimm verdorben haben, genauso wie es mit den Bäumen und den Fischen und den Insekten hier geschehen ist. Und das ist schon passiert, als diese Lichter noch vom Wasser bedeckt waren. Aber was geschieht in diesem Jahr, wenn gar kein Wasser da ist?«
Diese Aussicht ließ Semelee erschauern – vor einer nahezu unerträglich gespannten Erwartung. »Genau das möchte ich unbedingt sehen.«
Die Lichter erschienen, solange sich alle erinnern konnten, zweimal im Jahr – jeweils bei der Tagundnachtgleiche im Frühling und im Herbst. Ihre Mutter hatte ihr erzählt, dass diese seltsame Erscheinung diesen Rhythmus beibehalten hatte, seit sie geboren worden war, und dass ihre Mutter ihr genau das Gleiche erzählt hätte.
Aber Semelees Mutter hatte auch gesagt, dass die Lichter einige Jahre vorher angefangen hatten, stärker und heller zu leuchten. Und dass es gar nicht lange gedauert hätte, ein paar Jahre nur, bis die Leute erste Veränderungen bei den Pflanzen und Fischen und anderen Lebewesen in der Nähe des Schlundlochs bemerkten. Es fing damit an, dass jungen Fröschen ein Bein fehlte oder dass sie eins zu viel hatten. Dann veränderte sich das Aussehen der Fische, und die Pflanzen sahen völlig krank aus.
All das war eigentlich schon schlimm genug, aber als die ersten Kinder tot geboren wurden oder missgestaltet zur Welt kamen, zogen die Lagunenbewohner nach und nach weg. Nicht als Gruppe an ein und denselben Ort, sondern einzeln oder zu zweit oder dritt und in alle Himmelsrichtungen. Einige blieben in der Nähe und kamen gerade bis nach Homestead, andere verschlug es bis nach Louisiana und Texas. Nachdem sie weggezogen waren, bekamen sie keine missgestalteten Kinder mehr, und darüber waren sie glücklich.
Aber die missgestalteten Kinder, die sie schon hatten, waren nicht glücklich. Kein bisschen. Nicht, weil sie von den anderen Menschen schlecht behandelt wurden, während sie aufwuchsen – Semelee war nicht die Einzige, die solche Leiden hatte ertragen müssen – sondern weil sie, als sie schließlich erwachsen waren, das Gefühl hatten, in ihrem Leben fehle irgendetwas.
Nach und nach, einer nach dem anderen, fanden sie – all die Missgestalteten – den Weg hierher zurück zur Lagune und machten die Erfahrung, dass sich genau an diesem Ort ihre innere Unruhe legte. Hier fühlten sie sich stark, nicht gehandikapt. Dies war der Ort, der ausschließlich für sie geschaffen zu sein schien. Hier war ihr Zuhause.
Und das Zuhause für einen Menschen ist stets der Ort, wo seine Familie lebt. Sie gewöhnten sich an, sich selbst als Clan zu bezeichnen, und alle beschlossen, für immer auf der Lagune zu bleiben.
Aber selbst inmitten dieser großen familienähnlichen Gruppe verspürte Semelee immer noch eine hungrige Leere in sich. Sie wollte, sie brauchte mehr.
»Warum müssen sie sich unseren Sand holen? Hier gibt es doch überall Sand in Hülle und Fülle. Warum muss es unbedingt unserer sein?«
»Das kann ich dir auch nicht sagen«, antwortete Semelee.
»Was für Leute sind das eigentlich?«
»Blagden and Sons. Das weißt du doch.«
»Ja, den Namen kenne ich, aber das ist auch schon alles: ein Name. Wer sind sie? Woher kommen sie?«
»Keine Ahnung, Luke, aber sie zahlen gutes Geld. Und bar. Besser könnte es gar nicht
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