Handyman Jack 08 - Der schwarze Prophet
selbst.«
Er schüttelte den Kopf. »Wenn ich nur an den Literaturkursus denke, drehe ich schon durch. Jetzt weiß ich, weshalb ich damals ausgestiegen bin. Der Prof. verlangt, dass wir unsere Zeit damit vergeuden, Marcel Marceau zu lesen.«
Jack blinzelte. »Hm, Marcel Marceau war ein Bühnenkünstler, so was wie ein Schauspieler. Auf jeden Fall ein Mann weniger Worte, sozusagen.«
»Na schön, dann eben irgendein anderer Marcel.
Ein langatmiger Typ – Millionen und Abermillionen Worte über nichts. Der langweiligste Scheiß, den ich je gelesen habe.« Er schüttelte den Kopf. »Mein Leben ist im Augenblick nur noch beschissen.«
»Wenn du die Absicht gehabt haben solltest, mir mit deinem Gejammere das Herz zu brechen, dann ist es dir gelungen. Fünfhundert für die Diskette. Die Hälfte jetzt, die andere Hälfte, wenn ich weiß, dass dein Rezept wirklich funktioniert hat.«
Russ’ Gesicht verzog sich zu einem breiten Grinsen. »Ich habe die Diskette heute Abend fertig, Jack.
Du hast mir gerade den Tag gerettet.«
Ohne sich seine Genugtuung anmerken zu lassen, holte Jack seine Geldbörse hervor. »So bin ich nun mal – Jackie Sunshine in Person. Ich kann nicht anders. Ich lebe geradezu für Augenblicke wie diesen.«
3
Wenn er nicht mit mindestens einer Waffe – irgendwo an seiner Person versteckt – durch die Stadt lief, fühlte sich Jack zwar nicht völlig nackt, aber immerhin so, als stünde er in Unterwäsche da. Pünktlich um zwölf Uhr mittags traf er vor dem Gebäude in der unmittelbaren Nähe des Times Square ein, in dem sich die Büros von The Light befanden. Nach einem kurzen Blick durch die Glastüren am Eingang war er froh, keine Waffe bei sich zu haben. Jamie Grant hatte keinen Scherz gemacht. Im Foyer erwarteten ihn ein bewaffneter Wachmann und ein Metalldetektor.
Nachdem er sich hatte bestätigen lassen, dass John Robertson tatsächlich erwartet wurde, schickte ihn der Wachmann durch den Detektor, den er auch problemlos passierte. Dann wurde er aufgefordert zu warten, bis jemand aus der Redaktion käme, um ihn abzuholen.
Es dauerte nicht lange, und eine korpulente Frau mit kurzem, lockigem rotbraunem Haar und einem pausbäckigen Gesicht erschien und kam mit ausgestreckter Hand auf ihn zu. Jack erkannte ihre Stimme sofort.
»Robertson? Ich bin Jamie Grant.«
Während sie sich die Hand gaben, verschaffte sich Jack einen möglichst umfassenden Eindruck von ihr: Anfang vierzig, etwa eins sechzig groß, eine beträchtliche Oberweite und ein voluminöser Oberkörper, jedoch ausgesprochen dünne Arme und Beine.
Kleine goldene Ohrclips, eine dünne goldene Halskette, keine Ringe an den Händen. Ihre Augen waren gerötet, und sie roch wie ein übervoller Aschenbecher. Abgesehen davon war sie die reinste Traumfrau.
»Vielen Dank, dass Sie Zeit für mich haben.« Er reichte ihr eine von Robertsons Visitenkarten, dann deutete er mit einem Daumen auf den Metalldetektor.
»Ich dachte wirklich, Sie hätten einen Witz gemacht.
Weshalb dieser Aufwand?«
»Das Ding ist noch ganz neu. Wir haben ständig mit Drohungen zu tun. Unsere Zeitung, The Light, tritt ständig irgendwelchen Leuten vors Schienbein, deshalb erhalten wir am laufenden Band die verrücktesten Drohungen. Aber das war noch harmlos verglichen mit dem, was nach meinem Artikel über die Demenzizisten bei uns einging.« Sie grinste und entblößte dabei ihre nikotinbraunen Zähne. »Im Augenblick halte ich den Rekord an Morddrohungen. Hallelujah.« Sie machte kehrt und winkte ihm zu, er solle ihr folgen. »Begeben wir uns in meine Kemenate.«
Sie führte ihn in ein unordentliches Büro im dritten Stock, das aussah, als sei es soeben von Einbrechern auf einem PCP-Trip heimgesucht worden. Überall lagen Bücher, Illustrierte, Zeitungen und Computerausdrucke herum. Während sie einen mit Gummiband umwickelten Stapel Papiere von einem Stuhl herunterhob, registrierte Jack, dass vom kleinen Finger ihrer rechten Hand nur noch ein kleiner Stummel übrig war – die beiden letzten Glieder fehlten.
Sie ließ den Stapel Papier einfach auf den Fußboden fallen. »Nehmen Sie Platz.«
Jamie Grant ließ sich in den Sessel hinter ihrem überladenen Schreibtisch sinken und zündete sich eine Zigarette an. Jack bemerkte dabei, dass die Haut ihres Zeigefingers und Mittelfingers an der rechten Hand die Farbe von vertrockneter Zitronenschale angenommen hatte. Doch dann fiel sein Blick auf den Stummel, der von ihrem kleinen Finger noch übrig war. Auf
Weitere Kostenlose Bücher