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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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getan werden müssen.«
    Antigonos nickte. »Wenn man sie tun will. Ich bin offenbar von Verschwörern umgeben. Hat sich denn das Haupt der neuen Ordnung schon zu den Vorschlägen geäußert?« Er blickte Hamilkar an.
    Der große Punier trug Chiton, Lederpanzer und Kesselhelm, aber kein Schwert. Unter dem Panzer war yama zu erkennen; das Fell bedeckte die Schultern und die Brust.
    »Ich habe bisher gelauscht«, sagte Hamilkar.
    »Und was ist deine Meinung?«
    »Ich lausche weiter. Ich warte auf die Worte, die mich überzeugen. Bisher« – er entblößte die Zähne – »habe ich sie nicht gehört.«
    »Dann will ich sie sagen.« Antigonos stand auf und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich bin kein Punier, aber ich bin hier geboren und wurde eingeladen. Also darf ich wohl reden.«
    Hasdrubal winkte ab. »Geschenkt, Tiggo – wir hören.«
    »Es gibt Dinge, die getan werden müssen – darin stimme ich euch zu. Aber andere Dinge müssen zerstört werden, um die Ziele zu erreichen. Und wenn die Zerstörung größer ist als das Ziel, lohnt sich der Weg nicht.« Er blickte in die ernsten Gesichter. »Nach diesem furchtbaren Krieg werden die Libyer jede Veränderung mit Haß und Mißtrauen betrachten – wie alles, was aus der Stadt kommt. Die Verbindung von Stadt und Land, Puniern, Libyern und Libyphönikern zu etwas Neuem läßt sich nicht anordnen – sie muß langsam wachsen, behutsam über Jahrzehnte gelenkt werden. Und ein gewaltsamer Umsturz in Qart Hadasht? Ihr werdet die alten, uralten Einrichtungen zerstören müssen – den Rat, das Gericht der Hundertvier, den Rat der Ältesten, die Suffeten. Die Oberpriester der einzelnen Tempel… Sie alle haben Fehler gemacht – Menschen machen Fehler; nur Götter sind unfehlbar in ihrer grausamen Sinnlosigkeit. Aber trotz aller Fehler haben sie die Stadt fast sechshundert Jahre gelenkt, groß gemacht, bewahrt.« Er ging zum Fenster, schaute einen Moment in den Hof, in dem über hundert schwerbewaffnete Fußkämpfer saßen und standen, drehte sich dann wieder zu den anderen um.
    »Das Ziel ist gut. Aber ein Umsturz wird es nicht erreichen. Nur Geduld; lange, zähe Planung; die Fähigkeit, Rückschläge einzustecken und nicht den Mut zu verlieren – nur das kann zum Ziel führen. Und: Ein Umsturz löst den nächsten aus. Die Geschichte der hellenischen Städte ist voll von Beispielen. Wenn ihr euch heute gegen die alte Ordnung der Dinge stellt, statt sie langsam zu überwinden – wer soll morgen einen anderen daran hindern, euch durch Umsturz zu beseitigen?«
    In das Schweigen hinein sagte Hannibals helle Jungenstimme: »Mein Vater hat drei Jahre Qart Hadasht gegen Söldner verteidigt. Soll er es jetzt mit Söldnern erobern?«
    »Tiggo und Hannibal haben das gesagt, was mich überzeugt.« Hamilkar stand auf, legte eine Hand auf Hannibals Schulter und nickte Antigonos zu. »Fast hatte ich gehofft«, sagte er leise, »daß jemand einen Grund fände, der mich von der anderen Möglichkeit überzeugt. Freunde, wir werden im Rat hart kämpfen. Hanno war nie so schwach wie heute…«
    »… deshalb hockt er auch mehr im Tempel als im Rat.« Hasdrubal grinste.
    »Dazu kommen wir noch.« Hamilkar drückte Hannibals Schulter; der Junge lächelte spöttisch, und Antigonos hob die Brauen.
    »Was brütet ihr denn da noch aus?«
    »O Tiggo, einen netten Scherz. Hanno ist Oberpriester des Baal, wie du weißt. Er hat sich seit zwei Tagen in die finsteren Gemäuer verzogen und grübelt vermutlich. Wir werden ihm noch eine kleine Freude bereiten, nicht wahr, mein Sohn?«
    Hannibal nickte. Für einen Neunjährigen, fand Antigonos, war das Lächeln sehr höhnisch.
    »Aber dazu später. Zuerst geht es um die Dinge, die wir im Rat durchsetzen müssen.«
    »Änderungen in Libyen – die meisten ›Alten‹ sind auch dafür, wenigstens ein paar Schritte in eine neue Richtung zu gehen.« Hasdrubal blickte die vier Ratsherren und Händler an.
    »Was noch?«
    Adherbal, der sich längst wieder gesetzt hatte, faltete die Hände und knurrte leise. »Ah, bah, was noch? Die Söldner, nehme ich an.«
    »Sie müssen bezahlt und behalten werden, richtig. Wir brauchen sie – für etwas Neues.« Hamilkar kaute auf der Unterlippe. »Und wir müssen dafür sorgen, daß wir sie in der Hand behalten.«
    »Was ist denn dieses Neue?«
    Hamilkars Blick bohrte sichinAntigonos’ Augen. »Wie geht es deinem Dorf, Tiggo?«
    Einen Moment starrte der Hellene ihn verblüfft und ratlos an; dann begriff er, was

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