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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Kinn deutete er auf ein Regal links neben der Tür. »Wenn es dich interessiert – im dritten Fach von oben sind Berichte über die Sitzungen des römischen Senats, mit Einzelheiten der Kriegsplanung gegen die Illyrer. Und eine sehr wichtige Zusammenfassung der römischen Pläne in Oberitalien. Sobald die Auseinandersetzung mit Königin Teuta beendet ist, sind die norditalischen Kelten an der Reihe. Siedlungen und Straßen sind schon geplant. Sie sind gründlich, die Römer. Und völlig hemmungslos, was die Rechte oder Pläne anderer Völker angeht.«
    »Wie weit reicht dieses Netz von Kundschaftern? Wie zuverlässig arbeitet es? Und – haben die Römer etwas Ähnliches?«
    Hasdrubal streckte die Arme aus und drehte die Handflächen nach oben. »Wie weit es reicht? Ziemlich weit.« Er grinste.
    »Ich könnte dir zum Beispiel sagen, mit welchen wichtigen Fürsten und Händlern du im tiefen Süden Libyens geredet hast. Oder welche romfreundlichen massaliotischen Kaufleute im letzten Herbst Geschäfte in Britannien gemacht haben. Welche Pässe zwischen Baktrien und Indien im Herbst von Räubern beherrscht wurden. Welcher arabische Kapitän den ägyptischen Geheimdienst mit Nachrichten aus Südindien und Taprobane versorgt. Wieviele Kamele zur Zeit zwischen Koptos am Nil und Berenike am Arabischen Meer eingesetzt werden. Was die dortigen Goldminen jeden Tag fördern.«
    Etwas in Hasdrubals Augen machte Antigonos mißtrauisch.
    »Da ist etwas, was du nicht sagst«, murmelte er. »Und es hat mit mir zu tun, nicht wahr?«
    Hasdrubal seufzte. »Es gibt gewisse Kenntnisse, die du nicht haben wolltest – wie du Hamilkar vor Jahren geschrieben hast. Er hat mich damals angewiesen, diesen deinen Wunsch zu achten.«
    »Dieser Wunsch«, sagte Antigonos heiser, »besteht nicht mehr. Wie du wissen solltest.«
    »Ich weiß, o mein Freund Tiggo – sonst wärst du nicht so oft so tief in den Süden gereist.«
    Antigonos wartete. Hasdrubal verzog den Mund, stand auf und ging zu einem Regal. Er nahm nacheinander mehrere Papyrosrollen heraus, entrollte sie, legte sie wieder fort. Schließlich hielt er eine hoch.
    »Was willst du wissen?«
    »Zuerst: Wie zuverlässig ist das Netz, wie sicher sind die Berichte, wer hat das Netz eingerichtet?«
    »Es ist zuverlässig, und die meisten Berichte sind sehr genau.
    Hamilkar hat vor zwanzig Jahren damit begonnen, und ich habe es ausgebaut.«
    Antigonos schloß die Augen. »Eine Probe«, sagte er leise.
    »Vor der Südküste Arabiens liegt eine felsige Insel. Sie hütet den Hafen, den die Indiensegler anlaufen müssen. Wie heißt die Insel, wie heißt ihr Herrscher, woher stammt er?«
    Hasdrubal legte die Rolle weg, zuckte mit den Schultern, ging zu einem anderen Regal und suchte. Antigonos wartete voller Spannung. Der Herrscher der Rabenburg war anonym, immer; man nannte ihn »Blutiger Herr der Masken«. Einem Gerücht zufolge sollte der derzeitige Fürst der arabischen Seeräuber Sproß eines Herrscherhauses sein – schwarzer Kuschit, Sabäer, Pharaonenabkömmling. Schon der Name der Felseninsel und die Bezeichnung des Piratenfürsten waren nur denen bekannt, die jene entlegenen Gegenden bereist hatten.
    »Hier.« Hasdrubal hielt eine Rolle hoch. »Eine Gegend, mit der ich mich nie befaßt habe. Aber alles ist da. Der neueste Bericht ist vor einem halben Jahr eingegangen. Hier heißt es, daß der Herr der Rabenburg, gemeinhin ›Blutiger Herr der Masken‹ genannt, Verbindungen mit den Parthern aufgenommen hat. Er führt die Seeräuber und selbsternannten Seehandels-Hüter seit sieben Jahren, entstammt einer Verbindung zwischen einer jüdischen Fürstentochter aus den Küstenbergen nördlich von Saba und dem Nachfahren eines persischen Provinzstatthalters von Südarabien. Sein Name ist Sha’amar.«
    Antigonos starrte den Punier an, völlig fassungslos. »Das… das ist unglaublich. Wenn ihr… wenn du das weißt, dann glaube ich deinem Kundschafternetz alles.«
    Hasdrubal legte die Rolle wieder ins Fach. »Das wäre leichtfertig; man muß sieben und wägen. Aber immerhin.«
    »Was weißt du von Tsuniro und Ariston?« Als er die Namen aussprach, stieg ihm wieder jenes bittere Würgen in die Kehle. Die Frau, die er über die Welt geliebt hatte, mit Inbrunst und Ekstase und fast einer Art Frömmigkeit; der witzige feurige schwarze Daimon von Sohn – die jahrealte Wunde war längst noch nicht vernarbt. Es hätte so viele Möglichkeiten gegeben, Heimweh nach dem schwarzen Süden zu stillen –

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