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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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dem barkidischen Iberienunternehmen gegenüber gehegt werden mag, gilt nichts angesichts der Silberströme aus euren Bergen, die Qart Hadasht erreichen.
    Qart Hadasht in Libyen, sollte ich besser sagen; denn dies ist einer der Punkte, die immer wieder zu Zweifel und Mißfallen anregen. Die hellenischen Metöken sprechen von Nea Polis als eurer Hauptstadt, der Rat – wie Bostar versichert – redet von Qart Hadasht in Iberien. Ein Römer der Gesandtschaft sagt, in Rom heiße es Carthago Nova, und wahrscheinlich findet der Senat, wir sollten hier von Qart Hadashadasht oder so sprechen – ein Gezischel, wie es der gespaltenen Römerzunge zukommt.
    Neue neue Stadt – kaum wirrer als alles andere, zum Beispiel die Meinungen über deine Münzen, o Hasdrubal. Man nennt dich bereits König von Iberien und fragt sich, wer Stratege von Libyen ist, ob es sich um die gleiche Person handelt, oder ob der Stratege von Iberien bald König von Libyen sein will. Dann starren sie mißbilligend auf deinen Kopf, der wie bei den hellenischen Herrschern die eine Seite eurer Münzen ziert. Aber, sagen andere, er hat den punischen Münzfuß beibehalten; und sie betrachten die Kehrseite der iberischen shiqlu mit Roß und Palme, den Zeichen von Qart Hadasht in Libyen. Treue, sagen sie. Nein, sagen die anderen: Ein Zeichen, daß er König auch hier sein will.
    Wirr auch die Schaukeleien des Rats; desgleichen die des römischen Senats. Als vor Jahren die Römer sich ob Hamilkars Unternehmens in Iberien besorgten und eine Gesandtschaft zu ihm schickten, verwies er sie an den Rat von Qart Hadasht. Nun sind sie über Hasdrubals Unternehmen besorgt (sie, die das illyrische Reich zermalmt haben und den Krieg gegen die norditalischen Kelten planen!) und schicken eine Gesandtschaft hierher – aber der Rat verweist sie an Hasdrubal, Hanno verflucht die Barkiden dreimal täglich (vor dem Frühstück, nach dem Mittagsmahl, zwischen den beiden Hauptgängen des Abendessens) und bei jeder Ratssitzung, außerdem vermutlich immer, wenn er seine alabasterbesetzte Latrine aufsucht. Euer iberisches Abenteuer solle vom Erdboden verschwinden – aber er schickte Roms Gesandte zu euch weiter. Euer iberischer Unfug habe sofort zu enden – aber er gewinnt am Handel und streicht als Ratsherr seinen Teil eurer Silberlieferungen ein. Euer iberisches Abenteuer gefährde den Frieden – aber da ihr mehr Truppen unterhaltet und in Gadir und dem neuen Qart Hadasht mehr Schiffe baut als seinerzeit für die Stadt ausgehandelt, beginnt er mit dem Abbau der punischen Flotte und halbiert die Stärke der Streitkräfte in Libyen. Er hat die Mehrheit, und so geschieht es, wie er will.
    Ähnlich in Rom. Hannos Freunde, die alten Landherren um die Fabier und andere Geschlechter, wollen Roms Sitten und Roms Zucht und Roms Abgeschiedenheit bewahren. Aber sie sind diejenigen, die mit Hanno handeln. Roms »Barkiden«, wenn der Vergleich euch nicht allzu sehr betrübt, sammeln sich um die Sippe der Cornelier; sie wollen Offenheit, Entwicklung und Handel statt Abgeschiedenheit und Landbau, und wie die Fabier die Abgeschiedenheit fördern, indem sie offen mit Feinden wie Hanno verhandeln, suchen die Cornelier die Öffnung zu erreichen, indem sie Abgrenzung betreiben. Die Welt ist ein Tollhaus.
    Die Insassen des punischen Tollhausteils, andererseits , bessern sich auf seltsame Weise. Im Römischen Krieg, als die Dinge schlimm standen, und im Libyschen Krieg, als alles kaum schlechter werden konnte, waren sie mit der Lage offenbar so zufrieden, daß sie jede Ausgabe zur Änderung der Dinge scheuten. Heute, da die Stadt in Gold erstickt, murren sie über die Lähmung aller Dinge und verlangen Abenteuer.
    Seit einiger Zeit gibt es einen anonymen Dichter, der solche Stimmungen wahrnimmt und wiedergibt. Seine Werke tauchen meist in einigen hundert Abschriften gleichzeitig auf. Hanno hat Schaum vor dem Mund, sobald auch nur das Wort Verse genannt wird. Der Dichter zeichnet mit khmrs brq, was gemeinhin als Khamras der Blitz gelesen wird. Ich glaube, man sollte es eher als Homeros der Barkide auffassen. Ich lege eine Abschrift seines neuesten Werks bei; einige der Anspielungen sind jedem offensichtlich, andere wohl nur Bewohnern von Qart Hadasht. Vor kurzem lief ein Blatt mit einer Spottzeichnung um: Ein Mitglied des Gerichts der Hundertvier, nackt und feist im kostbaren Richterbad, nimmt Münzen entgegen von einem Mann mit Priestermütze und römischer Toga – Hanno, natürlich. Der Maler

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