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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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rettenden Befehle, war verzerrt; Tränen strömten über die Wangen des Puniers. Er beugte sich vor und ergriff Hamilkars Hand.
    »Herr«, sagte er leise; »Freund; Vater.«
    Hamilkar bewegte schwach die Hand, deutete auf Hasdrubal.
    »Du«, sagte er kaum hörbar. Er verdrehte den Kopf, schaute zu Antigonos hoch. »Du yama.« Es war nur noch ein Hauchen. Dann kam das Unbegreifliche, das dem Hellenen Unverständliche, das, was Antigonos trotz seiner Geburt in Karchedon, trotz seines Heimatgefühls unfaßbar bleiben mußte. Dieser Krieger und Herrscher, den Rom als unbesiegbar fürchtete, der nicht an Götter glaubte, der seine Heimatstadt hassen mußte, die ihn so oft verlassen hatte – der stolze Stratege von Libyen und Iberien rief mit der alten Formel die Mutterstadt Tyros an, Urheimat aller Punier, und Tanit, die Lebenspendende.
    »Mutter von Qart Hadasht«, sagte er leise aber deutlich, »ich gebe meine Ruder zurück.« Dann bäumte sich der mächtige Leib auf, zuckte und erschlaffte. Hamilkar Barkas war tot.
     
    Bei Sonnenuntergang wurden die Feuer entzündet. Sie brannten im Lager, an beiden Ufern des Taggo und in der weiten Ebene jenseits des Flusses, wo die Vettonen und Oretaner den Sieg feierten.
    Mitten im Lager stand das Zelt des Strategen, rechts und links vom Eingang Wachen mit Speeren und Fackeln, neben den Feuern. Vor ihnen ragte der große Holzstoß, auf dem Hamilkars Leiche lag. Einige Schritte entfernt standen zwei Kreuze. Die beiden Kundschafter, die Hannibals Reiter abgefangen hatten, waren ausgepeitscht und entmannt worden. Danach hatte man die Verräter an Kreuze gebunden. Am Morgen, wenn Hamilkars Leichnam verbrannt wurde, würden sie ihn ins Reich der Schatten begleiten, um dort dem verratenen Feldherrn zu dienen.
    Im Zelt berieten Hamilkars Söhne, Hasdrubal und die wichtigsten Offiziere. Gegen den Willen des jungen Mago und einiger Punier hatten Hasdrubal und Hannibal Antigonos zugezogen. Das yama-Fell lag auf einem Schemel.
    »Du sollst es bekommen«, sagte Hasdrubal. »Nimm es, Tiggo. Es kam ja auch von dir.«
    Antigonos nickte. Mit schweren Beinen ging er zum Schemel und streckte die Hand aus.
    »Nein«, sagte Mago heftig.
    »Was willst du?« Hasdrubal hob eine Braue und blickte unwillig auf.
    »Wir sind darauf gezeugt worden. Es hat unseren Vater in vielen Kämpfen geschützt. Es gehört uns!«
    Antigonos beugte sich über den Schemel. »Es zerfällt jetzt sehr schnell«, sagte er staunend. »Man kann dabei zusehen.«
    Das graue Fell zeigte Löcher, die vor wenigen Stunden noch nicht dagewesen waren. Zottel lösten sich, bedeckten bereits den Boden unter dem Schemel. Antigonos nahm yama auf.
    »Nein!« schrie Mago. »Laß es los – Metöke!«
    Etwas klirrte. Hannibal, mit dem Rücken zu seinem Bruder und dem Gesicht zu Antigonos, hatte das Schwert gezogen. Die wunderbare britannische Klinge war dunkel von verkrustetem Blut. Die Spitze lag an Magos Kehlkopf.
    »Du bist wahnsinnig, Bruder«, sagte Hasdrubal Barkas.
    »Vater hat es so gewollt – wie du selbst sagst. Wir waren ja nicht dabei. Tiggo ist der älteste und beste Freund.«
    »Es soll mit ihm brennen«, sagte Antigonos müde. »Ich will nicht Anlaß zum Streit zwischen den Söhnen des Löwen sein.
    Außerdem gibt es wichtigere Dinge zu klären.«
    Muttines trat einen halben Schritt vor. Das Gesicht des jungen Reiterführers war zerfurcht von Trauer und Erschöpfung. »Richtig. Was wird jetzt?«
    Niemand sprach. Antigonos blickte sie der Reihe nach an. Hasdrubal der Schöne, Stellvertreter des Blitzes und Kopf der Barkidenpartei in Qart Hadasht; Hannibal, ältester Sohn und vertrauter Mitarbeiter Hamilkars; Hasdrubal, Mago, Muttines, Bomilkar, Hanno, Giskon; der grimmige breitschultrige Riese Hannibal, den die griechischen Lehrer und Chronisten der Barkiden monomachos nannten, den Zweikämpfer; die anderen Offiziere, die das große Zelt füllten.
    »Das Heer ernennt den Strategen«, sagte Antigonos. »Die Stadt bestätigt ihn.«
    Er wartete. Noch immer regte sich keiner.
    »Na gut.« Antigonos seufzte. »Dann muß der Metöke es tun. Hannibal.«
    Hamilkars Sohn steckte das Schwert in die Scheide. »Ja, Tiggo?«
    »Ruf den neuen Strategen von Libyen und Iberien aus. Und gib ihm Hamilkars Schwert. Es kann nur einer sein.«
    Hannibal nickte. Er kam zu Antigonos und nahm das Schwert, das am Schemel lehnte. »Du bist listiger als wir alle«, sagte er leise. »Ich bitte dich, die Freundschaft vom Vater auf den Sohn zu

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