Hanibal
Ägyptens und auf den ihnen gehörigen hellenischen Inseln errichteten Leuchtfeuer.
Antigonos hatte längst den Faden verloren und sehnte eine Ariadne herbei. Hannibal grinste ihm irgendwann hinter vorgehaltener Hand zu; der junge Barkide schien genau zu begreifen, was der Stratege wollte und auf welchem Weg er welches Ziel ansteuerte.
Plötzlich baten die Römer um eine kleine Pause, um miteinander zu beraten. Beim Blick auf ihre beherrschten, aber dennoch unverkennbar bestürzten Gesichter wurde Antigonos klar, welchen Zauber Hasdrubal gewirkt hatte. Die Senatoren waren ratlos. Sie hatten mittelbar eingeräumt, daß die Übernahme Sardoniens gegen jedes Recht verstieß; daß Qart Hadasht Sardonien – wo es kleinere Aufstände gegen die harte römische Besatzung gab – rechtmäßig wieder besetzen dürfte; daß Rom in einer verzweifelten Lage war; daß die Hauptaufgabe der Gesandtschaft nicht mehr eine Eindämmung der Punier in Iberien war, sondern eine Zusicherung, daß Qart Hadasht stillhalten würde, während Rom sich der Kelten erwehrte. Meisterhaft hatte Hasdrubal immer wieder zwei honigsüße Feststellungen mit einer dritten verknüpft, die einen Widerhaken besaß, und wenn die Römer von den Leckereien naschten, zupfte er sanft an der Leine, bis Fabius schweigend oder knurrend einräumte, daß ihm etwas in der Kehle steckte. Und indem Hasdrubal verwickelte Einzelheiten der Handelsbeziehungen ansprach, von denen Fabius nichts verstand, brachte er die Römer noch weiter in Verlegenheit.
Als die Senatoren sich zu ihrer Beratung zurückgezogen hatten, stand Antigonos auf, ging zu Hasdrubal und küßte ihn auf die Stirn. »Trefflich, überaus trefflich, herrlicher Mann«, sagte er.
Hasdrubal kicherte und deutete auf Antigonos’ Stuhl. »Setz dich, Bomilkar. Wenn die Herren aus Rom uns beim Schmusen erwischen, ist alles versaut.«
Hasdrubal Barkas hatte das Kinn auf die Fäuste gestützt; die Ellenbogen bewegten sich quietschend über die glatte Tischplatte. »Unbegreiflich«, murmelte er. »Und ich dachte, ich hätte von dir schon alles gelernt…«
Hannibal hockte auf der Tischkante, baumelte mit den Beinen und betrachtete seine Zehen. »Welche Grenze schwebt dir vor?«
»Der Iberos. Die Pyrenäen werden sie uns nicht geben. Aber der Iberos wäre schon sehr viel.«
Die Römer kehrten zurück. Fabius’ Gesicht war zerknittert und verkniffen. Er setzte sich langsam, hüstelte, blickte endlich auf.
Hasdrubal, lächelnd, verdarb ihm die vermutlich gründlich überlegte und ausgetüftelte Eröffnung. »Ich hoffe übrigens, das gestrige Festmahl zu euren Ehren hat euch befriedigt.«
Fabius blinzelte. »Nun ja, natürlich, wieso…?«
Hasdrubal stand auf, ließ sich von Bodbal eine Papyrosrolle reichen, ging auf die andere Seite des Tischs, stand plötzlich zwischen den Römern. Er entrollte eine erbärmlich schlechte, ungenaue Karte, legte sie auf die Tischplatte und stützte sich vertraulich auf Fabius’ Schulter.
»Das ist unsere Schwierigkeit«, sagte er dabei. Mit unfaßlicher Geschwindigkeit bezeichnete er Stellen, nannte Namen von Städten, Grenzorten, Fürsten, Stämmen, Völkerbündnissen, Flüssen, Bergen und Landmarken. Man habe dort, sagte er, viele Freunde und leider den einen oder anderen Gegner. Friede und Handel seien die einzigen Ziele. Er kam wieder auf das Festmahl zurück. »Diese Köstlichkeiten, die wir miteinander geteilt haben, sind Früchte des Friedens, Römer. Ich verstehe eure Besorgnisse« – von denen überhaupt noch nicht gesprochen worden war –, »möchte euch aber fragen, ob ihr denn ernsthaft annehmt, einer von uns könnte die Annehmlichkeiten junger Ibererinnen und gestopfter Wildschweine um den blutigen Kampf und das Sterben in lehmigen Gräben eintauschen wollen. Aber sag mir, was tut ihr, wenn etwa keltische Horden eure sabinischen oder etruskischen Bundesgenossen angreifen? Ihr eilt ihnen doch zu Hilfe, nicht wahr?«
Als Fabius dies widerwillig bestätigte, setzte Hasdrubal sich und benahm sich, als säße er jeden Tag mit lieben römischen Freunden am Tisch, um strategische Kniffe auszutauschen. Er zwang Fabius dazu, ihm gute Ratschläge für den leider unausweichlichen Kampf mit den Vakkäern zu geben, und sagte plötzlich, wie in einer jähen Eingebung:
»Von allen nichtpunischen Händlern nehmen wir Zoll, vier Hundertstel des Warenwerts. Ich wäre bereit, im Zeichen der Freundschaft zwischen unseren Völkern römische Händler vom Zoll zu befreien.
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