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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Stadt sich wirklich leerte. Mit dem günstigen Nordwestwind des Winters hatten die meisten Händler Reede und Hafen bereits verlassen. Auch Argiope. Antigonos hatte mit ihr warme Wälle gegen die Nacht errichtet; ohne sie brachen die Dinge und die ungeklärten Fragen wieder über ihn herein. Mehr und mehr fühlte er sich wie ein richtungsloses Stück Treibgut am Rand eines ungeheuerlichen Strudels.
    Hannibal schien nie zu schlafen. Er beaufsichtigte die Verteilung des erlösten Geldes an die Truppen, diktierte Briefe an den Rat von Qart Hadasht, an seine Brüder Hasdrubal und Mago im Mündungsgebiet des Baits, wo sie die Turdetaner niederwarfen, schickte Boten zu Wasser und zu Land aus, beriet sich mit den Offizieren und den Männern der Verwaltung, sprach mit Unterführern und einfachen Kämpfern, ließ in den Wäldern hinter Zakantha Bäume fällen und zu den Werften von Qart Hadasht in Iberien bringen, empfing Gesandte und Fürsten iberischer Stämme, sammelte die Nachrichten seiner Kundschafter, verlegte libysche Truppen in Winterlager, die gleichzeitig bestimmte Gebiete überwachten, entließ andere Truppen in deren iberische Heimatländer. Als Antigonos nach einer durchzechten Nacht von Sosylos’ Zelt zum Hafen ging, kurz vor Morgengrauen, sah er den Strategen mit einer Gruppe Balliaren an einem Feuer kauern und irgendet was – Truppenbewegungen? – mit einem Stock in die Erde ritzen, die noch nicht völlig gefroren war. Am späten Vormittag war er mit einem Dutzend numidischer Reiter auf dem Strand, unterwegs nach Norden. Um Mitternacht hockte er auf den Fersen an einem winzigen Feuer und diktierte dem übermüdeten Sosylos einen weiteren Brief an den Rat, in dem er die Punier auf bestimmte Waren und Handelsmöglichkeiten im südlichen Gallien hinwies.
    Aus der gewaltigen Beute, dem Verkauf der Überlebenden und der nicht unmittelbar nutzbaren Gegenstände hatte jeder der fast siebzigtausend Kämpfer hundert Schekel erhalten. Die vornehmsten Zakanthaner wurden mit ausgewählten Wertgegenständen nach Qart Hadasht verschifft; Kriegsgerät, Münzen, Münzmetall und den Rest des Verkaufserlöses ließ Hannibal unter starker Bedeckung nach Qart Hadasht in Iberien bringen. Bauern, Viehzüchter, Hirten und Sklaven, von denen nur der kleinere Teil Zuflucht in der Stadt gesucht hatte, kehrten aus den Bergen und dem Hinterland zurück. Auch um sie kümmerte Hannibal sich, stellte Baumeister des Heers zur Planung und Wiederherstellung von Bewässerungskanälen ab, entwarf verbesserte Befestigungsanlagen und ernannte einen jungen Offizier namens Bostar zum Herrn von Zakantha. Mit viertausend Libyern und tausend Numidern sollte er Stadt und Land sichern und wieder bewohnbar machen.
    Am Abend vor seinem Aufbruch mit den letzten Truppen ins Winterlager bat der Stratege die Fürsten und Häupter der benachbarten Stämme, die Sprecher der heimgekehrten Bauern, die verbliebenen Offiziere und Verwaltungsleute und die letzten fremden Händler in die notdürftig ausgebesserten Säle der Burg von Zakantha. Offene Bratfeuer, die gleichzeitig wärmten, loderten auf den geborstenen Fliesen der weiten Räume; Fackeln und Öllampen beleuchteten die Tische und die Gäste. Spät in der Nacht saßen als letzte Hannibal und Antigonos mit den Reiterführern Maharbal und Muttines neben einem gemauerten Kamin, in dem harziges Holz knackte und prasselte.
    »Ende – der Stadt, der Belagerung, des Jahres und des Fests.« Muttines’ Gesicht, zerfurcht von Kämpfen, Plänen und Erschöpfung, wirkte im Flackerlicht zugleich dämonisch und zerbrechlich. Das Gesicht eines achtundzwanzigjährigen Greises. Auch Maharbal war gezeichnet, wie Bostar, der neue Herr der Stadt, der nach einem langen Rundgang zu ihnen kam und sich stöhnend setzte. Einen halben Mond vor Mittwinter waren die Nächte an der iberischen Küste eisig; der Wind aus den verschneiten Bergen des Binnenlands jaulte zwischen den Trümmern der Stadt und drang durch Lücken und Risse in die Säle. Antigonos drückte sich an die hölzerne Rückenlehne seines Stuhls und zog den schweren Wollmantel enger.
    »Was jetzt, Stratege?« Muttines hob einen Pokal aus hauchdünnem Glas, hielt ihn vor die Augen und blickte durch das Gefäß und den dunklen Wein. Der Libyphöniker, in Chiton und Brustpanzer, hatte eine Wolldecke über die nackten Beine und ein Leopardenfell um die Schultern gelegt.
    Hannibal blickte ins Feuer. Der Punier im grauroten Mantel wirkte als einziger der jungen Krieger

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