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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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zurück nach Qart Hadasht, nach Ebyssos, Gadir, dem neuen Qart Hadasht, nach Akragas und Panormos, Syrakosai und Leontmoi, Epiros, Korinthos, Alexandreia, aber auch nach Massalia, Neapolis, Taras und Rhegion.
    Unter den hübschen Kleinigkeiten und besseren Kleinodien – eine kyprische Vase aus blauem Glas, durchwoben mit Kupferfäden; Elfenbeinschnitzereien; bemalte iberische Eisenamulette; Silberschmuck – entdeckte Antigonos einen Gegenstand, der ihn zunächst mit Mißtrauen, dann mit Begeisterung erfüllte. Es war eine sitzende Gestalt, etwas mehr als armlang, unförmig, mit Pech bestrichen, unter dem Gips zum Vorschein kam.
    »Was ist das?«
    Argiope breitete die Arme aus. »Ich weiß es nicht genau. Ein Gipsabdruck irgendeiner Statue. Zwei shiqlu habe ich dafür bezahlt. Warum?«
    Antigonos kaute auf der Unterlippe. Langsam ließ er sich auf das breite Lager unter dem Achterdeck der Hauch der Kypris sinken. »Eigentlich nur so. Meine Händlernase, du verstehst.« Argiope klappte den Deckel der Truhe zu und setzte sich darauf. Nur die schwarze Figur behielt sie in den Händen. Sie war schwer – schwerer als Gips und Pech zusammen sein konnten. »Was sagt deine Nase?«
    Antigonos lächelte und legte den Finger an Argiopes Nasenspitze. »Reden wir als Händler – oder als Nachtgefährten?«
    Sie hob die Brauen. »Noch bin ich angezogen.«
    »Kann man ändern.« Antigonos öffnete seinen Gürtel, legte ihn ab, wickelte sich aus dem nebelnassen Winterumhang und zog den Chiton aus.
    Argiope sah zu, grinste leicht und begann sich zu entkleiden.
    Die schwarze Figur saß auf den Planken, zwischen den Beinen der Damaskenerin. »Und weiter?«
    »Wenn es das ist, was ich kaum zu glauben wage, wäre es ein gutes Geschenk für Hannibal.«
    »Sprich – Nachtgefährte.« Sie kam zu ihm, kniete sich auf das Lager und zupfte an seinem Schurz. Er beugte sich vor und berührte mit der Zunge ihre linke Brust. »Manches«, sagte er undeutlich, »wird durch Alter nur kostbarer – du, zum Beispiel. Ich verstehe Männer nicht, die nur junge Mädchen wollen statt Frauen, die gut gelebt haben und in den vielerlei Möglichkeiten des köstlichen Todes auf dem Beilager erfahren sind.«
    »Sollte man sein, Mitte der Vierzig«, sagte Argiope. »Aber worauf willst du hinaus, abgesehen von Schmeicheleien und dem Nächstliegenden?«
    Antigonos deutete auf die schwarze Figur. »Es gibt auch Leute, die neue Statuen oder Skulpturen den alten vorziehen.«
    »Ah.« Sie schwang die Beine über die Lagerkante und starrte die sitzende Pech-Gips-Figur an. »Du meinst, darin steckt etwas Besonderes?«
    »Darf ich?« Er zog den alten ägyptischen Dolch aus der Scheide.
    Argiope nickte. »Aber behutsam.«
    Antigonos begann zu kratzen, zu schneiden, zu bohren. Ein größeres Stück des pechbestrichenen Gipses löste sich, dann noch eines. Schließlich legte Antigonos den Dolch beiseite. Behutsam, fast andächtig hob er die schwere Skulptur hoch. Argiope kniete hinter ihm, das Kinn auf seine rechte Schulter gelegt.
    »Niemand kann es mit Sicherheit sagen«, murmelte er, »aber dies hier scheint echt zu sein.«
    »Erleuchte mich, Nachtgefährte. Und schnell. Gewisse Dinge warten.« Sie legte die Arme von hinten um seine Hüften.
    »Der Sitzende Herakles von Gades«, sagte Antigonos leise.
    »Bronze. Vielleicht hundert Jahre alt – eine der letzten großen Arbeiten des unvergleichlichen Lysippos von Sikyon.«
    Argiope streckte die Hände nach dem kostbaren Kunstwerk aus. »Du meinst, es ist wirklich echt?«
    »Echt und unbezahlbar. Warum sonst sollte der Besitzer es in Gips und Pech versteckt haben? Schau es dir an, Gespielin des Nachtwinds – die Linien des Körpers, die Muskelstränge, der lange schmale Kopf. So hat nur Lysippos gearbeitet. ›Nicht wie die Menschen sind, sondern wie ich sie sehe.‹ Oder die Götter, in diesem Fall.« Er wiegte den Oberkörper vor und zurück; mit halbgeschlossenen Augen sprach er die alten punischen Zeilen.
     
    Liebend geliebt wie der Melqart von Gadir: sehr. Sorglos im Sitz wie der Melqart von Gadir: immer. Sterben wie der Melqart von Gadir: nie.
     
    »Und du willst diesen Gott Hannibal geben?« Argiope setzte die Figur auf den Boden.
    »Wenn er mir gehörte – ja.«
    »Unbezahlbar, sagst du?«
    »Vollkommen unbezahlbar.«
    »Dann muß ich ihn dir wohl schenken.« Sie legte die Hand um Antigonos’ Nacken, ließ sich aufs Lager sinken und zog ihn mit. »Danach.«
    Tage vergingen, bis die Ebene vor der zerstörten

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