Hanibal
schwankt und Rom eine Lücke sieht.
10
ZAKANTHA
»Arme Schweine. Wer sich auf Rom verläßt…« Sosylos starrte zu den Zakanthanern hinüber. Es waren die vornehmsten der Überlebenden, vielleicht zwei Dutzend Männer und Frauen, abgekämpft, rauchgeschwärzt, verwundet.
Die Stadt, im achten Mond der Belagerung endlich gefallen , brannte noch immer. Der eisige Nordwestwind trieb dicke Schwaden über die Ebene und zum Hafen. Das Land, längst geplündert und verwüstet, trug nur noch eine Art Frucht, die Zelte und Kriegsgeräte der Punier. Am Kai, an den vier Molen und vor dem Hafen lagen mindestens dreihundert Schiffe. Aasgeier; wie bei jedem begrenzten Krieg hatten sich Händler aus allen Gebieten des Meers eingefunden, um auf die eine oder andere Weise zu verdienen. Vor allem seit Hannibals Ankündigungen; seit jeder wußte, was mit der Stadt und ihren Bewohnern geschehen würde. Alle Reichtümer, alle Waffen, aller bewegliche Besitz sollte an den punischen Staat fallen; die Bewohner würden den Kriegern des Heers ausgeliefert, die Vornehmen, soweit sie nicht gefallen waren, nach Libyen gebracht.
Die neue Schwinge des Westwinds schaukelte leicht, als eine Bö sie erfaßte. Die bastgefüllten Säcke knirschten an der Kaimauer. Antigonos gähnte und rieb sich die Augen. Er hatte zwar nicht das Entsetzen, aber dessen Überbleibsel gesehen, zwei Tage lang. Die von Hannibal erbetenen Listen waren fertig. Die Leute des grauhaarigen Versorgungsmeisters Hasdrubal mochten brauchbare Schätzungen abliefern können, aber Hannibal wollte das Gutachten des Freundes und Händlers haben, und Antigonos hatte es schweren Herzens erstellt. Der Spartaner Sosylos, längst nicht mehr Hannibals Lehrer sondern Chronist, war ihm mit Papyros, Tinte und Ried behilflich gewesen.
»Ich verstehe immer noch nicht, warum sie zuerst einen derartigen Wirbel gemacht haben und dann…« Sosylos drehte die Innenfläche seinerlinken Hand aufwärts. »Nichts.«
Antigonos hob die Schultern und schwieg. Er blickte wieder hinüber zu den Resten der großen reichen Stadt, dreitausend Schritte vom Hafen entfernt, für die Ewigkeit gebaut und nun größtenteils zerstört. Zum Schluß hatten sich die libyschen und iberischen Kämpfer von Haus zu Haus vorarbeiten müssen. Zakantha, weit südlich des Iberos, war vier Jahre nach Vertragschluß plötzlich von den Römern zum Bundesgenossen erklart worden. Im Vertrauen auf die mächtigen Waffen der neuen Freunde hatten die Zakanthaner mit Ränken, Listen, Bestechungen, Versprechen versucht, iberische Völker aus dem punischen Verbund zu lösen. Aber Rom schickte lediglich zwei Senatoren, Publius Valerius Flaccus und Quintus Baebius Tamphilus, die Hannibal vor einem Angriff auf Zakantha/Saguntum warnten. Der Stratege verwies auf den Iberos-Vertrag. »Euer Senator Quintus Fabius Maximus hat nicht von Zakantha gesprochen; nach seinen Darlegungen gibt es keine römischen Bundesgenossen südlich des Iberos. Zakantha liegt mehr als sieben Tagesmärsche südlich dieses Flusses. Überdies hat Zakantha Feindseligkeiten uns gegenüber begonnen und bisher nicht beendet; wir haben uns nur mit Worten gewehrt.« Die Römer reisten weiter nach Qart Hadasht; Bostar berichtete ausgiebig über die Verhandlungen im Rat. Es war eher eine Rechtsauslegung denn ein Gespräch gewesen. Im Vertrag zwischen Hamilkar und Lutatius, nach dem Sizilischen Krieg, seien alle beiderseitigen Bundesgenossen unter den Schutz der jeweiligen Vertragspartei gestellt worden, und dies gelte auch für Saguntum, sagten die Römer; eben dies gelte nicht, sagten die Ratsherren von Qart Hadasht, denn Verträge könnten nur zur Zeit des Abschlusses bestehende Bündnisse berühren, und damals sei Zakantha keineswegs römischer Bundesgenosse gewesen. Was, wenn Qart Hadasht plötzlich eine keltische Stadt in Norditalien zum Bundesgenossen erhöbe und den Lutatius-Vertrag auf sie anwendete? Außerdem habe Rom im Iberos-Vertrag alle Gebiete südlich des Flusses preisgegeben. Aber, sagten die Römer, der Iberos-Vertrag sei weder in Rom noch in Karthago von Volk und Rat gebilligt worden. Unsinn, sagten die Punier; anders als beim Lutatius-Vertrag sei eine förmliche Ratifizierung durch Rom und Qart Hadasht nicht vorgesehen gewesen. Ebenso wie die römischen Decemviri unter Fabius sei der Stratege Hasdrubal zu Vertragsabschlüssen bevollmächtigt gewesen, und die jahrelange Einhaltung des Vertrags durch beide Seiten komme einer Ratifizierung gleich.
Aber es
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