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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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ging eigentlich nicht um rechtliche Fragen; als die beiden Römer Qart Hadasht erreichten, hatte Hannibal bereits mit der Belagerung von Zakantha begonnen, und nachdem rechtliche Begründungen nicht haltbar waren, ließen die Römer die Maske fallen, wollten nichts mehr von den Verträgen hören und verlangten schlicht Hannibals Auslieferung. An dieser Stelle der Verhandlungen, wenn es denn Verhandlungen waren, trieb Hanno der Große mehr als die Hälfte seiner eigenen Partei ins Lager der Barkiden, indem er vor den Römern kuschte, Hannibals sofortige Auslieferung beantragte, damit »dieses kleine Feuer nicht einen großen Brand verursacht«, eine Geste der Demut in Form einer Ratsgesandtschaft nach Rom vorschlug und die Rücknahme aller punischen Truppen in Iberien auf eine neue Grenze weit südlich, in Höhe des neuen Qart Hadasht, anregte. Mit wenigen Ausnahmen stimmte der gesamte Rat von Qart Hadasht dagegen, doppelt empört über die römische Anmaßung und Hannos Kriecherei.
    Tausendmal hatte Antigonos alles bedacht. Zu Müdigkeit und Entsetzen kam eine immer weiter zunehmende Verwirrung. Sosylos’ Geste faßte die Dinge recht gut zusammen. Rom hatte Truppen und Kriegsschiffe sowie ausreichende Bestände an Transportseglern – aber Rom führte Krieg gegen die Illyrer und ließ die zuvor so umständlich aufgebauten Bundesgenossen in Zakantha allein. Zu Beginn der Belagerung hatte Hannibal alles für zwei Monde Maharbal übergeben, um mit eilig zusammengezogenen Truppen im iberischen Binnenland zwei wichtige Völker niederzuwerfen, ehe sie voll zum Abfall gerüstet waren. Seine Kundschafter nahmen massaliotische Spitzel und Aufwiegler fest, deren eigentliche Auftraggeber in Rom saßen. Durch Hannibals unerwartetes Auftauchen wurde das Problem mit den Orissern und Karpesiern beendet, aber ebenso durch das Ausbleiben jeglicher römischen Hilfe.
    »Wenn man nur wüßte«, sagte Antigonos mit spröder Stimme, »was Rom wirklich will. War der ganze Wirbel um Zakantha, die Gesandtschaft, der Streit um die Verträge, war das alles nur ein großes Wortgefecht? Ohne Folgen? Dafür war es zuviel. Aber warum haben sie fast neun Monde nichts unternommen, außer Krieg gegen die Illyrer? Wenn sie wirklich einen Fuß nach Iberien setzen wollen – eine bessere Speerspitze als Zakantha, mit Hafen und Hinterland und Festung, können sie nie bekommen. Und davon ist jetzt nichts mehr übrig. Was soll das alles? Es ist wie ein wirrer Traum, aus dem man erwachen möchte, um ihn zu ordnen und zu bedenken.«
    Sosylos deutete auf die zahllosen Händlerschiffe. »Die da träumen nicht. Sie werden gute Geschäfte machen.«
    Antigonos nickte. Der Meister der Versorgung, Hasdrubal Sohn des Mula, hatte wie immer alles bestens eingerichtet. Die Truppen hatten ein wenig plündern dürfen, das meiste jedoch abliefern müssen, und was sollten die siebzigtausend Kämpfer mit den etwa vierzigtausend Überlebenden in Zakantha anfangen, die Hannibal ihnen überließ? Hasdrubal hatte vorgeschlagen, sie als Sklaven zu verkaufen und den Erlös an die Truppen zu verteilen.
    Rom, Qart Hadasht, das brennende Zakantha, die Händler , die Sklaven, die Toten; all dies bestritt einen verwickelten und undurchschaubaren Rundtanz in Antigonos’ müdem Gehirn. Und natürlich Hannibal, den er seit Monden immer nur flüchtig gesehen hatte und dessen weitere Pläne er nicht kannte. Langsam, mühsam stand er auf. Er stützte sich auf den kleinen Tisch. Das Achterdeck unter ihm schien zu bocken.
    Sosylos betrachtete ihn mit zusammengekniffenen Augen.
    »Du siehst plötzlich sehr alt aus, Freund der Barkiden.« Antigonos lächelte bitter. »Es steht einem Händler auch zu , der in wenigen Monden die fünfzig Jahre vollenden wird. Und die tanzenden Gedanken machen nicht jünger.«
     
    Am folgenden Tag kamen noch mehr Handelsschiffe auf der Reede von Zakantha an. Die umgebaute, erweiterte Hauch der Kypris war bei ihnen. Antigonos verbrachte die nächsten Nächte mit Argiope. Sie kaufte einige kleinere Gegenstände aus dem Plündergut, dazu fünf große, schlanke Zakanthanerinnen, die sie für fünfzehn Minen erstand und auf einem großen Sklavenmarkt, vielleicht in Rhodos, für das Doppelte feilbieten würde. Aber sie waren eine Nebensache.
    Die wichtigere Ware zeigte sie Antigonos am Abend des vierten Tages, als das große Feilschen sich dem Ende näherte und ein Teil der zuletzt über sechshundert großen und kleinen Handelsschiffe wieder abgefahren waren –

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