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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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wenig mehr Schlaf bewegen?«
    Hannibal gluckste. »Kluge Leute, die Händler aus China. Das letzte, was die östlichen Kundschafter gemeldet haben, vor dem Aufbruch aus Iberien, war, daß es dort einen neuen Herrscher gibt; er hat damit begonnen, aus vielen kleinen alten Mauern eine neue riesengroße zu machen, um die Welt fernzuhalten. Ein guter Gedanke. Vor hundert Jahren hätte die Oikumene eine Mauer um Rom bauen sollen.«
    Memnon trat ein; er brachte die Schüssel mit Brühe und einen Löffel aus poliertem Holz. »Kein Gift«, sagte er, ehe er den Raum wieder verließ.
    Antigonos fütterte den Strategen. Hannibal hatte sich halb aufgerichtet und stützte sich auf die Ellenbogen. Plötzlich kicherte der Hellene leise.
    »Wie ich hier versuche, dich dem Leben wieder geneigt zu machen, erinnere ich mich an Reden über die Entsagung. In Indien trat vor langer Zeit ein milder Verkünder auf; der große König Ashoka, der Indien einigte, hat sich zu ihm bekannt und sogar Boten bis Alexandreia geschickt, um die sanfte Lehre zu verbreiten.«
    »Hat dieser König der Welt und dem Erobern entsagt? Ich erinnere mich nicht, etwas von der Auflösung des indischen Reichs gehört zu haben.«
    »Kluge Reden sind da, erwogen zu werden – sie befolgen wäre zu viel. Dieser milde Verkünder Gotamo sagte ungefähr dieses: ›Wer dem Weltleben entsagt, muß sich vor zwei Enden hüten. Das Leben in Lüsten ist ein Ende, gemein und niedrig; die Selbstquälerei ist ebenfalls unedel. Der Weg in der Mitte schafft Blick und Erkenntnis; dieser Weg in der Mitte führt zu Friede, Erkennen, Erleuchtung. Der mittlere Weg aber ist der achtfache Pfad und heißt: rechtes Glauben, rechtes Entschließen, rechtes Wort, rechte Tat, rechtes Leben, rechtes Streben, rechtes Gedenken, rechtes Sichversenken. Ferner gibt das fünffache Leid – Geburt ist Leid, Alter, Krankheit, Tod sind Leiden, mit Unlieben vereint und von Lieben getrennt sein ist Leid. Leid entsteht aus Durst – Durst nach Lust, nach Werden, nach Vergänglichkeit. Aufhebung des Leidens aber ist Aufhebung des Dursts und Tilgung des Begehrens.‹«
    Hannibal rülpste. »Ich begehre noch mehrere Löffel Brühe, o belesener und vielkundiger Tiggo.«
    »Gut, gut. Iß, damit du groß und stark wirst, Junge. Ich habe noch etwas für dich – ein ägyptisches Gebet. Ich kriege es sicher nicht vollständig zusammen; außerdem habe ich es von einem alten zahnlosen abtrünnigen Makedonen gehört, der kein Ägyptisch konnte und alle Städte und Tempel hellenisch wiedergab. Aber egal. Wappne dich. Und mach den Mund auf.
    ›O du mit den langen Schritten, der du erscheinst in Heliopolis:
    Ich bin kein Übeltäter. O du, der das Feuer hält und in Cheraba erscheint: Ich bin kein Mann der Gewalt. O du mit der Nase, der du in Hermupolis erscheinst: Ich habe keinen bösen Sinn. O Esser des Schattens, der in Elephantine erscheint: Ich bin nicht habgierig. O du Löwengestaltiger, der du im Himmel erscheinst: Ich betrüge nicht mit dem Kornmaß. O Knochenbrecher, der du‹, ich weiß nicht mehr, wo, erscheinst; ich glaube, jetzt kommt: ›Ich raube keine Nahrung. O du mit den grellen Zähnen – ich bin kein Lästerer. O du Bluttrinker – ich habe keine heiligen Tiere geschlachtet. O Herr der Rechtschaffenheit – ich bin kein Landräuber. O der du den Rücken wendest – ich bin kein Lauscher. O Viper aus Busiris – ich kümmere mich nur um meinen eigenen Kram. O Schlange – ich begehe nicht Ehebruch. O Seher im Haus des Min – ich bin mit niemandem unkeusch.‹ Na, satt?«
    Hannibal ließ sich zurück auf das Lager sinken. »Mehrfach gesättigt, liebster aller Freunde. Dieses Gebet da, wiewohl unvollständig, wie du sagst – es ist ein feiner Katalog von Hinweisen auf Dinge, die ich wieder einmal tun sollte. Wenn ich geschlafen habe.«
     
    Er schlief vierundzwanzig Stunden. Als Memnon ihn danach untersuchte, stellte er fest, daß Hannibals linkes Auge keinen Schaden davongetragen hatte; das rechte war blind.
    Nach den Berichten der Kundschafter hatte Konsul Gaius Flaminius sein Heer in und um die Stadt Arretium gelegt, einige Tagesmärsche im Südosten; damit schützte er das reiche fruchtbare etrurische Kernland und konnte schnell alle größeren Straßen erreichen und sperren. Hannibal sammelte weitere Einzelheiten über Leben, Vorleben und Ansichten des Konsuls.
    Tagelang kamen und gingen Gesandte etruskischer Städte und Sippen. Für Antigonos unfaßbar verwiesen sie auf die uralte Freundschaft

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